Sechs Brüder wie wir
zählen“, feixte Jean Eins.
„Und du mogelst immer“, sagte Jean Drei.
„Wir losen“, schlug ich vor.
„I-ich auch, i-ich w-will auch mits-spielen!“, haspelte Jean Fünf.
Wir haben uns königlich amüsiert.
Ohne die Möbel wirkte die Wohnung viel größer, voller unbekannter Orte, leerer Wandschränke, heimlicher Winkel zwischen den Umzugskisten, wo man sich verstecken konnte. Papa und Mama waren mit den Umzugsleuten beschäftigt, wir konnten herumtoben und stellten uns gegenseitig ein Bein, ständig verfolgt von Jean Fünf auf seinem Dreirad, der mit ohrenbetäubender Lautstärke schrie: „D-das ist n-nicht l-lustig! W-wartet auf m-mich!“
Jean Eins, der wie immer schummelte, hat uns jedes Mal gefunden. Einmal nutzte Jean Vier, der sich mit Jean Eins in der Besenkammer versteckt hatte, die Gelegenheit, um ihn in den Hintern zu beißen. Da hat Jean Eins ihm eine gescheuert, Jean Vier fing zu brüllen an, Jean Drei fand die beiden daraufhin sofort und Jeans Eins klebte ihm auch gleich noch eine.
„Jetzt bin ich mit Zählen dran“, sagte ich, um den Frieden wiederherzustellen.
„Du wirst mich nie finden!“, sagte Jean Drei. „Ich bin der unsichtbare Dritte.“
„Nein, ich! Ich bin unsichtbar!“, rief Jean Vier.
Während ich zu zählen anfing, sind alle auf Zehenspitzen davongeschlichen.
Ich war bei fünfundzwanzig angelangt, als Mama rief: „Kinder! Die Umzugsleute sind fertig! Wir fahren!“
Ausgerechnet als ich dran war und es anfing, richtig Spaß zu machen!
Mürrisch schlurfte ich zu Papa und Mama an die Wohnungstür, um den Umzugsleuten Auf Wiedersehen zu sagen.
„Glückwunsch, kleine Frau!“, sagte der Boss. „Mit sechs Kindern umziehen, das ist kein Pappenstiel.“
„Ach was“, sagte Mama. „Man muss nur auf Ordnung halten.“
„Und außerdem“, meinte Papa, „haben Sie ja noch nicht die sechs anderen gesehen …“
„Die sechs anderen?“, wiederholte der Boss. „Sie haben zwölf Jungs?“
„Im Dutzend sind sie billiger“, sagte Papa mit ernster Miene. „Ich hab sie aus einem Großhandel.“
„Sie wollen mich wohl hochnehmen?“, fragte der Boss und wich etwas zurück.
„Nein“, erwiderte Papa, „ich schwör Ihnen, man bekommt dann Rabatt wie bei einem Kasten Bier …“
„Liebling“, sagte Mama, „ich bin mir nicht sicher, ob diese Herren deinen Sinn für Humor teilen.“
Damit hatte sie wohl Recht, denn dem Blick nach zu urteilen, den die Umzugsleute uns auf dem Weg zum Aufzug zugeworfen haben, hätte man glauben können, dass sie einem Irrenhaus entflohen.
„Das wäre geschafft.“ Papa atmete erleichtert auf. „Ist ja doch alles recht gut gegangen.“
Seltsame Vorstellung, dass wir nie mehr hierher zurückkehren würden!
Mama machte eine letzte Runde durch die leere Wohnung, um zu überprüfen, dass wir auch nichts vergessen hatten. Dann nahm sie Jean Sechs auf den Arm, wir schnappten uns unsere Comics, Papa griff nach den letzten Gepäckstücken und sperrte ein letztes Mal die Wohnungstür zu.
„Auf Wiedersehen, Cherbourg“, sagte er. „Und vielen Dank. Wir waren glücklich hier, wir acht …“
„Auf Wiedersehen, Cherbourg“, wiederholten wir.
Aber es klang eher wie ein Katzengejammer.
„Und jetzt“, sagte Papa, „alle ins Auto und ab in die Ferien! Hipp, hipp …“
„Hurra!“, brüllten wir alle im Chor.
Na ja … jedenfalls fast alle. Als wir nämlich ins Auto stiegen, stellten wir auf einmal fest, dass Jean Drei fehlte.
„Wie meint ihr das, Jean Drei ist verschwunden?“, fragte Papa tonlos. „Dann muss er oben in der Wohnung sein.“
„Unmöglich“, sagte Mama. „Ich hab noch einmal in alle Zimmer gesehen.“
„Aber er kann doch nicht einfach verschwunden sein!“
„Ach, bei Jean Drei ist alles möglich“, sagte Mama.
„Und wenn wir ohne ihn losfahren?“, schlug Jean Eins vor. „Dann haben wir wenigstens mehr Platz im Auto.“
Papa wurde bleich wie ein Laken.
„Reg dich nicht auf, Schatz“, sagte Mama. „Lass uns lieber nachdenken. Er kann ja nicht weit sein.“
„Ich glaub, ich weiß, wo er ist“, flüsterte auf einmal Jean Vier.
Mir dämmerte auch, wo er wahrscheinlich steckte. Aber weil immer wir Großen an allem schuld sind, habe ich Jean Vier gern den Vortritt gelassen.
„Wir haben Verstecken gespielt“, erklärte er, „und da hab ich gesehen, wie Jean Drei in den Wohnzimmerschrank gekrochen ist …“
Papa und Mama schauten sich an.
„Aber dann ist er …“, begann
Weitere Kostenlose Bücher