Sechs Brüder wie wir
Spielemarathon ist sowieso bescheuert“, brummte Jean Eins.
„Wie bitte?“, fragte Papa und nahm die Pfeife aus dem Mund.
„Nichts, nichts“, sagte Jean Eins.
„Papa! Jean Drei hört nicht auf, mir in die Karten zu gucken!“, petzte Jean Vier.
„Das ist nicht wahr!“, brüllte Jean Drei. „Und Jean Vier nimmt heimlich Karten vom Stoß!“
„Gut“, sagte Papa. „Dann scheiden jetzt alle aus.“
„Und i-ich? Das ist n-nicht gerecht!“, haspelte Jean Fünf. „Ich h-hab nicht ges-s-schummelt.“
„Was hast du gesagt?“, fragte Papa, dessen Nerven allmählich etwas blank lagen.
„Er sagt, dass er nicht geschummelt hat“, übersetzte Jean Drei für ihn. „Das hört sich so komisch an, weil er mit der Zunge anstößt.“
„Das s-s-stimmt nicht!“ Jean Fünf brach in Tränen aus. „Ich s-s-stoße nicht mit der Z-zunge an!“
„Ich geb dir gleich auch einen Stoß“, drohte Jean Eins.
Zum Glück war es gerade Zeit für einen kleinen Nachmittagsimbiss.
Mama und Oma Jeannette hatten für uns große Tassen heißen Kakao vorbereitet und so dicke Marmeladenbrote, dass wir kaum reinbeißen konnten. Wir stürzten uns wie eine Horde Vielfraße darauf und für einige Zeit kehrte Ruhe ein.
„Alles in Ordnung, Schatz?“, fragte Mama. „Vergnügt ihr euch miteinander?“
„Bevor ich das nächste Mal einen Spielemarathon vorschlage“, antwortete Papa mit einem komischen Kichern, „häng ich mich lieber gleich selbst auf.“
Und das war erst der Anfang, die wirklich ernsten Zwischenfälle kamen noch.
Nach den Spielen für die Kleinen haben wir uns in zwei Gruppen aufgeteilt: Mama kümmerte sich um Jean Vier und Jean Fünf, und wir drei Großen sind bei Papa geblieben.
„Jetzt geht’s richtig los!“ Jean Eins rieb sich voller Vorfreude die Hände. „Monopoly! Diesmal will ich Blut sehen!“
„Ich warne euch“, sagte Papa. „Spielverderber gehen direkt auf ihr Zimmer, ohne vorher über Los zu ziehen. Hab ich mich klar genug ausgedrückt?“
„Einverstanden“, sagte Jean Eins, „aber ich bin die Bank.“
„Nein, ich“, sagte Jean Drei.
„Ich hab im Kopfrechnen die besseren Noten“, sagte ich.
So ist es jedes Mal, wenn wir Monopoly spielen: Jean Eins und Jean Drei wollen immer die Bank sein, um sich heimlich 50000-Franc-Scheine zu klauen.
Papa hat den Streit schnell geschlichtet.
„Ich bin das Familienoberhaupt“, sagte er. „Deshalb bin ich die Bank.“
Weil er uns immer unser Taschengeld gibt, wagten wir nicht zu protestieren und haben dann mit der Partie angefangen.
Um ehrlich zu sein, war es nicht sehr fair. Ich gegen die anderen, das ist ein wenig so, wie wenn ein Weltmeister gegen Freiwillige aus der Amateurliga antritt.
Ich habe eine todsichere Strategie, um bei Monopoly zu gewinnen: Ich kaufe nur ein einziges Hotel, aber in der teuersten Straße, der Schlossallee. Derjenige, den es erwischt, tut mir schon vorher leid, so sehr muss er bluten. Aber so ist es nun mal: Bei Monopoly herrscht keine Gnade …
Jean Drei, der noch nicht so viel Ahnung hat wie ich, kaufte sich auf jedem Feld, auf dem er landete, ein Haus. Nach nur zwei Runden musste er bereits bei der Bank einen Kredit aufnehmen.
Jean Eins war so knauserig, dass er die ganze Zeit nur die Geldscheinbündel zählte, die er säuberlich sortiert hatte. Aus lauter Geiz kaufte er gar nichts.
„Meine lieben Kinder“, sagte Papa und stieß dabei kleine Rauchwölkchen aus. „Dieses Spiel hat auch einen pädagogischen Wert.“
Papa liebt pädagogisch wertvolle Spiele. Einmal hat er uns zu Weihnachten das Brettspiel Die kleine lustige Grammatik geschenkt, wo der Genitiv und der Dativ gegeneinander kämpfen müssen und die Hilfsverben einen Wettlauf veranstalten. Aber die Regeln waren so kompliziert, dass er das Spiel wieder in den Laden zurückgebracht hat und danach nie mehr die Rede davon war.
„So wie bei Monopoly“, fuhr Papa fort, „ist es nämlich auch im richtigen Leben. Weder nützt es einem, zu sparsam zu sein, so wie Jean Eins, noch das Geld mit vollen Händen auszugeben, so wie Jean Drei … Nehmt euch vielmehr ein Beispiel an mir: Legt euer Geld mutig, aber wohlüberlegt an und hütet euch dabei, alles auf eine einzige Karte zu setzen, so wie Jean Zwei.“
Papa ist bei Monopoly sehr stark. Aber als er das zweite Mal ins Gefängnis musste, statt über Los zu ziehen und 20000 Franc einzustreichen, wurde seine Laune allmählich schlechter.
Währenddessen erwischte Jean Eins lauter Felder mit
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