Sechs Brüder wie wir
wie aus einer Gießkanne tropfte.
„Alles prima gelaufen?“, feixte Papa, als er uns unter dem Vordach begrüßte.
„Bestens“, sagte Opa, „bis auf einen kleinen Regenschauer am Schluss. Aber so was schreckt doch einen Indianer nicht …“
„Nein, Opa!“, antworteten wir im Chor.
„Na dann“, sagte Papa und klaubte Jean Drei ein Seerosenblatt aus dem Haar. „Einen Moment lang dachte ich, ihr seid mit einer Salatschleuder zusammengestoßen.“
„Ein kleines Problem mit den Schlüsseln des R4“, sagte Opa Jean. „Unser Freund, der Dorfgendarm, hatte die Freundlichkeit, uns nach Hause zu fahren.“
„Es ist wegen des S-s-sinodauriers“, lispelte Jean Fünf.
„Nein, wegen der Krakenbrote“, erklärte Jean Drei.
„Daran ist allein Zäpfchen schuld“, sagte Jean Vier.
„Was?“, fragte Papa mit großen runden Augen.
„Später“, sagte Opa. „Es würde zu weit führen, das jetzt alles zu erklären.“
„Sofort unter die Dusche mit euch, ihr kleinen Angler“, sagte Mama, „oder eure Oma kriegt einen Herzinfarkt. Das Abendessen wartet schon auf euch. Es gibt Hähnchen mit Bratkartoffeln.“
„Genial!“
Wir waren so hungrig und schlammverkrustet, dass wir an diesem Abend sogar ohne zu protestieren nacheinander unter die eiskalte Dusche gegangen sind.
Ich mag Ferientage, an denen es regnet. Vor allem auf dem Land, im Haus von Opa Jean.
Die Erde riecht gut, der Regen trommelt aufs Dach, man fühlt sich wohl im Trockenen, geschützt von den dicken Mauern. Die nassen Gummistiefel stehen der Größe nach geordnet vor der Tür, im Kamin prasselt ein Feuer, die Zeit vergeht unendlich langsam und man hat nichts zu tun.
Ich liebe es, wenn mir langweilig ist. Neben mir liegen meine Lieblingsbücher und die Sammlung von moderigen Tim-und-Struppi-Heften, die wir im Haus gefunden haben. Ich lümmle auf dem Sessel in unserem Zimmer, lasse die Beine über die Lehne baumeln und verbringe die Stunden damit, vor mich hin zu träumen, während ich dem Regen lausche.
Papa mag es auch, wenn er nichts tun muss. Wegen des schlechtens Wetters, das wir seit drei Tagen hatten, konnte er draußen am Haus keine Heimwerkerarbeiten für Opa Jean machen. Das muss ihn in strahlende Laune versetzt haben, denn an diesem Nachmittag fragte er in die Runde: „Wie wär’s mit einem Spielemarathon, Jungs?“
„Super!“, schrien wir.
Aus dem Schrank in der Bibliothek holten wir alle Spiele, die wir finden konnten, und versammelten uns um den großen Küchentisch.
„Ich gebe“, verkündete Jean Eins. „Sonst spiel ich nicht mit.“
Weil Jean Fünf und Jean Vier unbedingt bei unserem Spielemarathon dabei sein wollten, haben wir mit Spielen für die Kleinen angefangen.
„Domino, das ist was für Babys“, feixte Jean Eins, während er mit seinen Steinen vor sich eine Mauer aufbaute. „Aber ihr Kleinen sollt auch eure Freude haben.“
Als Jean Fünf dann eine Doppelsechs gelegt und die Partie gewonnen hatte, war Jean Eins auf einmal nicht mehr nach Witzereißen zumute.
„Und wenn wir Schwarzer Peter spielen?“, schlug Jean Vier vor.
„Selber Schwarzer Peter“, sagte Jean Drei.
„Ich gewinne!“, brüllte Jean Fünf.
„Nein, ich!“, rief Jean Vier und fuchtelte dabei so herum, dass er sein Limoglas umstieß.
„Volltreffer!“, sagte Papa. „Heute gibt’s für keinen mehr Limonade.“
Papa hat nur selten Zeit, mit uns Gesellschaftsspiele zu spielen. Aber jetzt waren Ferien, deswegen hatte er Nerven wie Stahlseile, und außerdem war er froh, den pausenlosen Gesprächen mit Mama und Oma Jeannette im Salon zu entkommen.
„Und wenn wir mal wieder Familienquartett spielen?“, fragte er frohgemut und zog friedlich an seiner Pfeife.
Wir taten so, als ob wir das eine supertolle Idee finden würden. Papa spielt so selten mit uns, dass wir ihm alle eine Freude machen wollten.
Er setzte sich neben Jean Fünf, um ihm manchmal etwas zu helfen und weil Jean Fünf die Karten noch nicht so richtig halten kann. Die Partie war gerade in Schwung gekommen, da sagte Jean Eins zu mir: „Aus der Idiotenfamilie hätte ich gerne den Zweitältesten.“
„Selber Idiot“, sagte ich. „Aber du hast bestimmt aus der Glotzkopffamilie den Ältesten.“
„Wie ihr wollt“, sagte Papa. „Die beiden Söhne aus der Backpfeifenfamilie scheiden hiermit aus.“
Papa versteht in solchen Dingen keinen Spaß, deshalb saßen Jean Eins und ich bis zum Ende der Partie grollend und Grimassen schneidend am Tisch.
„So ein
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