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Sechs Brüder wie wir

Sechs Brüder wie wir

Titel: Sechs Brüder wie wir
Autoren: Ravensburger
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seine Zungenspitze blitzte ihm zwischen den Zähnen hervor und er kämpfte tapfer. Wir anderen hüpften neben ihm aufgeregt auf und ab und brüllten, um ihn anzufeuern: „Hau ruck! Hau ruck!“
    Herr Martel, mein Lehrer, hat uns einmal von einem Buch erzählt, in dem ein alter Mann eine ganze Nacht lang kämpft, um einen riesigen Schwertfisch aus dem Meer zu ziehen. So ähnlich war das bei uns auch. Nur dass schließlich ein winziger silbriger Fisch, kaum größer als eine Revolverkugel, am Haken von Jean Fünf zappelte.
    „Ist das der S-s-sinodaurier?“, fragte Jean Fünf.
    Wir standen im Kreis um den Kescher herum und kniffen die Augen zusammen, um den Fisch zu begutachten.
    „Viel besser, mein Junge!“, gratulierte ihm Opa Jean. „Es ist ein Babyukelei! Ein großartiger Fang!“
    „Sieht fast wie ein Fieberzäpfchen aus!“, feixte Jean Eins.
    „Selber Zäpfchen“, erwiderte Jean Drei.
    „Zum Glück haben sich Oma und eure Mama für das Abendessen nicht auf unser Anglerglück verlassen“, scherzte Opa. „Der würde nicht einmal für eine Mäusefamilie reichen.“
    „W-werden w-wir ihn essen?“, fragte Jean Fünf.
    „Ich überlass euch meinen Teil“, sagte ich, weil ich an die vielen Regenwürmer denken musste, die der Fisch im Lauf seines Lebens bestimmt schon verschlungen hatte.
    „Wie wär’s, wenn wir ihn grillen?“, schlug Jean Vier vor.
    „Ich w-will nicht, dass w-wir meinen F-fis-sch essen!“, schluchzte Jean Fünf.
    „Ich habe eine Idee“, sagte Opa Jean. „Wie wär’s, wenn wir ihn nach Hause mitnehmen?“
    „Er gäbe eine prima Nachspeise für Erstes und Zweites Programm ab“, meinte Jean Eins.
    „Erstes und Zweites Programm?“, fragte Jean Drei.
    „Geht dich nichts an, Blödmann!“, sagte ich.
    „Ich w-will nicht, dass ihn w-wer als Nachs-speise isst!“, haspelte Jean Fünf und fing wieder zu heulen an.
    „Außerdem haben wir nichts dabei“, verkündete Jean Vier, „um ihn zu transportieren.“
    „Alles ist gut“, sagte Opa und trocknete Jean Fünf mit seinem Taschentuch die Tränen. „Ich weiß, was wir tun werden.“
    Weil der Fisch so winzig war, passte er problemlos durch den Flaschenhals einer Limonadenflasche. Wir haben die Flasche mit Wasser gefüllt und Opa verkorkte sie mit einem Stückchen Holz, das er mit seinem Taschenmesser zurechtgeschnitzt hatte.
    „So bringen wir ihn gut nach Hause“, sagte er, „und du hast einen Fisch ganz für dich allein.“
    „Ich w-werde ihn Z-z-zäpfchen nennen“, stotterte Jean Fünf stolz.
    „Warum nicht Fieberthermometer?“, schlug Jean Vier vor.
    In diesem Moment brach das Gewitter los.
    Der Regen prasselte so plötzlich und so heftig nieder, dass wir die Flucht ergriffen. Wir rannten in alle Richtungen, um nach einem Unterschlupf zu suchen.
    „Z-z-zäpfchen!“, schluchzte Jean Fünf und drückte die Limoflasche fest an sich. „Er wird nass!“
    „Er schwimmt doch schon im Wasser, Blödmann!“, feixte Jean Eins.
    Weil unter der Trauerweide für uns sechs nicht genug Platz war, ging die Suche noch einmal los – und das war der Augenblick, den Jean Drei sich aussuchte, um in den Teich zu fallen.
    Jean Vier versuchte ihm zu helfen, aber er rutschte ebenfalls aus und landete neben ihm im Wasser.
    Währenddessen fummelte Opa Jean mit seinem Taschenmesser verzweifelt am Schloss des Renault R4 herum, weil Jean Fünf die Fahrertür zugeknallt hatte und die Schlüssel drinnen am Lenkrad baumelten …
    Papa und Mama machten ein komisches Gesicht, als wir am Abend alle nacheinander aus dem Auto des Dorfgendarmen geklettert sind.
    „Hast du Kanalarbeiter bestellt?“, fragte Papa erstaunt.
    „Nein“, antwortete Mama.
    „Froschmänner?“
    „Auch nicht.“
    „Dann müssen es wohl unsere Kinder sein“, sagte Papa.
    „Sind es denn fünf?“, fragte Mama.
    „Ja.“
    „Alle mit Segelohren?“
    „Ja“, sagte Papa.
    „Dann sind sie es“, sagte Mama. „Schluss mit dem himmlischen Frieden …“
    An der Spitze marschierte Jean Fünf, der stolz die Limonadenflasche an sich drückte, in der Zäpfchen schwamm, der kleinste Ukelei der Welt.
    Hinter ihm trotteten mit einer nassen Decke über den Schultern Jean Drei und Jean Vier, die Haare voller Entengrütze.
    Danach kam Jean Eins, aus dessen Gummistiefeln bei jedem Schritt brackiges Wasser schwappte, weshalb sie ein seltsames quietsch-quatschiges Geräusch machten.
    Zusammen mit Opa Jean beendete ich den Zug. Opa trug das Angelzubehör und den Picknickkorb, aus dem es
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