Sechs Richtige (German Edition)
enthauptet wurde?»
«Ja.»
«Aber – warum das alles? Ich …»
«Sie leben, das ist die Hauptsache.»
«Aber sie sind auch verrückt!», rief Astrid. «Welches Kind in diesem Alter kommt denn auf die bescheuerte Idee, sich einen Sack überzuziehen und eine Krone aufzusetzen?»
«Unsere», sagte Rieke trocken.
Eine Reporterin war nun zu sehen, die ernst in die Kamera schaute. «Diese beiden Mädchen haben ihn angeblich gefunden – den Schatz Störtebekers. Klaus Störtebeker, der um 1400 sein Unwesen trieb, war kein schlechter Mensch. Er hat den Armen etwas von seinem Reichtum abgegeben. Das war vielen nicht recht, und so wurde er vor Helgoland gefangen genommen und hier auf dem Grasbrook zusammen mit seinen Kameraden getötet.»
«Wenn es ihn gegeben hat», war eine dumpfe Stimme unter dem einen Sack zu hören.
«Natürlich. Und diese beiden Mädchen hier, die aus wichtigen Gründen unerkannt bleiben wollen, haben ihn gefunden, den Schatz des Klaus Störtebeker.»
«Wo ist er?», riefen andere Presseleute.
Lilly ergriff das Wort. «Klaus Störtebeker wollte denen helfen, die es im Leben nicht so gut hatten, und die, die es gut hatten, wollten das verhindern. Leider können wir den armen Menschen aus der Zeit, in der Klaus lebte und Gutes tun wollte, nicht mehr helfen. Dafür haben wir aber diesen Menschen, die hier sind, und noch vielen mehr Gold, Silber, Edelsteine, Kronen, Ketten, Kelche und tausend andere Sachen gegeben.»
Johlend hielten die Obdachlosen einige Stücke hoch, und die Presse knipste, als ginge es um ihr Leben.
«Diese Leute können nun endlich was aus ihrem Leben machen!», rief Lilly und hob eine Hand, als wolle sie zum Kampf aufrufen.
«Heißt das, ihr habt die ganzen Sachen, den ganzen Schatz, an die Obdachlosen verteilt?», fragte einer der Reporter mit ungläubiger und heiserer Stimme.
«Ja. Fast alles. Den Armen steht es zu. Warum sollte der ganze Kram in irgendeinem Museum herumliegen und verstauben? So haben die Richtigen was davon. Sie können es verkaufen und haben dann alles, was sie brauchen.»
«Aber das sind doch so wahnsinnige Schätze, die kann man doch der Menschheit nicht vorenthalten!», schrie einer der Reporter und wollte näher kommen, wurde aber von ein paar böse aussehenden Obdachlosen in Schach gehalten.
«Alle Archäologen, die das jetzt sehen, werden wie die Fliegen umfallen», sagte Astrid.
«Was ich verstehen kann», sagte Rieke und musste trotz allem schmunzeln. «Meine Güte, die zwei sind echt nicht zu verachten.» Fast schon stolz schaute sie Astrid an, und die musste auch lachen.
Da hörte man plötzlich Sirenengeheul, und sie sahen, wie die beiden kleinen Säcke loswuselten und verschwunden waren. Kurze Zeit später sah man sie auf einem Boot wegtuckern. Sie winkten allen noch mal zu. Als die Polizei kam, waren sie nicht mehr zu sehen.
«Was wird die Polizei jetzt tun?», fragte Astrid.
«Na was wohl? Die Obdachlosen befragen. Die werden sich an nichts erinnern können. Diese Menschen haben ja keinen festen Wohnsitz, wie der Name schon sagt, und die werden einen Teufel tun, irgendwas von dem Kram herzugeben. Und dann werden sie natürlich auf die Insel kommen und Fragen stellen. Aber die Mädels sind ja nicht blöd. Die haben sich ja nicht umsonst Säcke auf den Kopf gesteckt. Sie werden schon lange genug warten, bis sie – natürlich nicht mit Jens’ Boot – auf die Insel zurückkommen. Unsere Töchter sind ziemlich clever.»
«Ja, das stimmt», sagte Astrid mit mütterlichem Stolz. «Aber so eine Krone oder eine Kette hätte ich auch nicht schlecht gefunden.»
20
Nachdem Lilly und Bonnie vom Handy eines der Obdachlosen zu Hause angerufen hatten, war der alte Sören, der, dem Fridtjof im Winter die Netze flickte, zusammen mit Jens losgefahren, und sie hatten Lilly und Bonnie abgeholt: Die beiden hatten an einer geheimen Stelle in Hamburg gewartet. So konnten sie sicher sein, dass niemand ihnen auflauerte. Dann kletterten Bonnie und Lilly in Sörens Boot, während Jens etwas später mit seinem eigenen auf die Insel zurückfuhr. Glücklicherweise war genug Diesel an Bord.
«Teufelsmädchen seid ihr», sagte Sören dauernd. «Aber was für welche.» Dabei zog er an seiner Pfeife.
Astrid und Rieke und alle anderen sagten gar nichts, als Bonnie und Lilly wieder da waren. Sie nahmen sie einfach nur in den Arm.
«Wir haben natürlich nicht alles verschenkt», flüsterte Lilly ihrer Mutter ins Ohr. «Für dich hab ich noch was.»
«Aber
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