Sechs Richtige (German Edition)
getrunken, obwohl es Morgen war. Seine Kinder waren nicht gerade das, was man
un
kompliziert nennen konnte. Und nun kamen noch kompliziertere Dinge hinzu.
«Zeig!», brüllten die Schwestern und sprangen auf, um zu Jan zu laufen.
Nur die 8 -jährige Lilly beschmierte ihren Toast dick mit Nutella, oder besser gesagt: Sie belegte Nutella mit einer Toastscheibe.
«Das könnt ihr vergessen.» Vanessa schüttelte den Kopf so heftig, dass sie fast mit Antonias zusammenstieß, die genauso heftig den Kopf schüttelte. «Eher bringe ich mich
wirklich
um. Die haben da bestimmt nicht mal WLAN . Außerdem wird garantiert noch mit D-Mark bezahlt.»
«Helgoland hat nur 1400 Einwohner», sagte Jan so entsetzt, als seien das alles Leprakranke. «Und so, wie es aussieht, gibt es keinen einzigen richtigen Club.
Gar nichts
.»
«Dafür gibt es eine Jugendherberge, und die soll ich ein Jahr mit Mama leiten.» Hanno Prönkel stand auf. «Das ist eben die Bedingung für den Gewinn. Ihr hättet die Nordsee vor der Haustür, frische Luft und Strand. Ihr macht es einem echt nicht einfach.»
«Eine Jugendherberge», schnappte Antonia und kleckerte vor Aufregung mit ihrem Eigelb. «Wie altmodisch ist das denn? Wer fährt denn heutzutage noch in
Jugendherbergen
? Ich gehe hier nicht weg. Ohne Sophia gehe ich nirgendwohin.» Sophia war Antonias beste Freundin seit Sandkastenzeiten. Die beiden klebten fester zusammen als Kaugummi.
«Und was wird mit mir und Marko?», fragte Vanessa fassungslos und kreidebleich. Mit Marko war Vanessa seit gut drei Monaten zusammen. Er war ihr erster Freund, und wenn es nach ihr gehen würde, auch ihr letzter.
«Marko und ich sind wie füreinander gemacht», sagte sie jedem, der das hören oder nicht hören wollte.
Astrid und Hanno fanden an Marko nichts, aber auch gar nichts nur
ansatzweise
positiv. Wenn ein Helgolandaufenthalt dazu dienen sollte, dass der oberflächliche Marko, der den ganzen Tag nichts machte, außer mit seinem von Papa geschenkten neuen Cabrio durch die Gegend zu fahren und auf, wie er betonte, einen passenden Studienplatz zu warten, ja, wenn ein Helgolandaufenthalt zur Folge hätte, dass Marko von der Bildfläche verschwand, dann hurra! Das dachte Astrid, aber sie sagte es natürlich nicht, sondern schaute nur ihren Mann an, der, das wusste sie, dasselbe dachte. Allein die Aussage von Marko, dass er auf einen Studienplatz warte, fand Astrid so dämlich. Seit wann klingelten denn passende Studienplätze an der Haustür, um nachzufragen: «Na, hast du auf mich gewartet? Jetzt bin ich ja da.»
«Ich habe noch nicht
zugesagt
. Außerdem erinnere ich erneut daran, dass
ihr
uns das Los geschenkt habt.» Hanno hatte keine Lust mehr. Er hatte einfach keine Lust mehr. Er hasste die Lotteriegesellschaft und diese blöde Frau, die fröhlich vor der Tür gestanden und mit aufgesetztem Lächeln und nacktem Neid in den Augen überschwänglich gratuliert hatte. Die dauernd gesagt hatte, dass das etwas sehr Außergewöhnliches sei, und ach, wie schön, wie schön, wie schön. Die Frau war mit einem Kollegen vorbeigekommen, und beide hatten Hanno und Astrid die Hand so fest geschüttelt, dass Astrid kurz in Erwägung gezogen hatte, einen Knochenchirurgen aufzusuchen. Nach und nach kam das Ausmaß des Gewinns ans Licht.
«Lass es für heute gut sein.» Astrid stand auf. «Wir sollten uns alle beruhigen. Und wir müssen jetzt los.» Sie schaute auf die Uhr. Halb acht. Um acht musste sie in der Schule sein und ihre 4 . Klasse in Deutsch unterrichten.
«Ob heute oder morgen: Ich ziehe da nicht hin. Ich ziehe auf keine Insel. Wahrscheinlich haben die noch nicht mal Handyempfang.» Vanessa ließ nicht locker.
«O Gott», sagte Jan und starrte auf sein iPhone. «Da kommen täglich Tausende Touristen, um zollfrei Alkohol und Zigaretten zu kaufen. Wunderbar. Da laufen bestimmt immer Betrunkene rum.»
«Ich finde es viel schlimmer, dass wir
überhaupt
von hier wegsollen», sagte Antonia leise. «Ich mag Frankfurt.»
Vanessa schnappte wütend ihre Tasche. «Uns das mit dem Los auch noch vorzuwerfen. Komm, Antonia. Wir sollten ab sofort jeden Tag, den wir in einer normalen Stadt verbringen können, genießen. Ab Juli ist möglicherweise damit Schluss. Dann werden wir uns wie Panther im Zoogehege fühlen, die ständig hin und her laufen, weil sie psychisch angeknackst sind.»
Die beiden verließen das Haus. Draußen hielt Antonia ihre Schwester am Ärmel fest. «Ich hab schon seit längerem ’ne Idee»,
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