Sechseckwelt 02 - Exil Sechseck-Welt
Berge gab es einen Sumpf, der sich in alle Richtungen zu erstrecken schien. Das Wasser war nicht sehr tief – vielleicht einen halben Meter –, aber dunkel und still und stinkend, und es gab gewiß tiefe Stellen. Überall wucherte Moos.
»Müssen wir weit durch dieses Gelände gehen?« fragte sie die Lata. »Ihr könnt fliegen, aber wir nicht.«
»Nur kurz«, erwiderte das Mädchen.
Sie stapften eine Stunde durch den Schlamm, und das Wasser wurde tatsächlich tiefer, bis es ihr zu den Stiefeln hineinlief. Einmal stolperte sie über eine Ranke unter Wasser und fiel mit dem Gesicht voraus in glücklicherweise seichtes Wasser.
Renard und Nikki, die sich nirgends verfangen hatten, stürzten pflichtgemäß ebenfalls zu Boden, und es kostete einige Anstrengung, sie in die Höhe zu bringen, bevor sie ertranken.
Mavra wusch sich mit dem Wasser Schlick aus Augen, Nase und Mund und säuberte die beiden anderen mit Hilfe der Lata, aber danach sahen sie immer noch schlimmer aus als irgendein Wesen, dem sie auf der Schacht-Welt bisher begegnet waren. Selbst ihr Geschenk von Trelig, der Pferdeschweif, war so mit Schlamm verbacken, daß sie das Gefühl hatte, hinten säße jemand auf ihr.
Endlich verwandelte sich alles – vom schrecklichen Sumpf zu stillem Meer. Vistaru bat sie zu warten, und eine Lata flog zu einer fernen Ansammlung schwimmender Büsche.
Das Meer, wenn es ein Meer war, besaß eine seltsame Schönheit. Der Himmel war trotz der drückenden Schwüle klar, und die Sternenhaufen und Gaswolken spiegelten sich in der dunklen Oberfläche.
Einer der schwimmenden Büsche schien sich zu lösen und kam auf sie zu. Obenauf saß Barissa, eines der Lata-Wesen, bläulich leuchtend.
Der Busch erwies sich als Riesenblume. Er sah aus wie eine gigantische Rose mit geschlossener Knospe, umgeben von einer großen, dicken, grünen Membranplattform.
Barissa lächelte und sagte etwas. Mavra sah Vistaru an.
»Er sagt, der alte Macham ist schläfrig und mürrisch, aber er kennt das Problem und wird Sie und die anderen mitnehmen.«
Mavra sah das Wesen wieder an. Es war von hellem Orangerot oder würde es sein, sobald es sich ganz öffnete. Aus der Mitte der geschlossenen Blume ragten zwei Stengel wie riesige Weizenhalme. Sie trat auf einen Wink der Lata auf das grüne Blatt, Nikki und Renard folgten ihr und ahmten sie nach, als sie sich auf dem Rand niederließ.
Das Wesen drehte sich langsam herum und fuhr auf den stillen See hinaus. Es schien sich durch diese Kreisbewegung in Gang zu halten, und es ging zwar nicht übermäßig schnell, aber man wurde doch rasch schwindlig. Nach einer Stunde wünschte Mavra sich abwechselnd, tot zu sein oder wieder an Land. Das Maß ihrer Übelkeit ließ sich nicht beschreiben.
Nach einer Ewigkeit brach der Tag an. Sie würgte immer wieder und sah die beiden Hypnotisierten, die sie inzwischen beneidete, sie nachahmen. Vistaru ging zu ihr hinüber.
»Immer noch krank?« fragte sie überflüssigerweise.
»Und ob!« stieß Mavra hervor.
»Wir sind fast da.«
Inzwischen war Mavra nahezu alles gleichgültig, aber zum erstenmal seit langer Zeit gelang es ihr, sich umzuschauen.
Sie waren nicht mehr allein.
Zu Tausenden drehten sich überall andere Blumen in einem großartigen Ballett auf dem Wasser. Sie brachten Myriaden Farben und Farbkombinationen hervor und öffneten sich den gleißenden Strahlen der Sonne. Unter anderen Umständen hätte Mavra sogar Gefallen daran gefunden.
Der Krommianer, auf dem sie saßen, wurde zu ihrer unbeschreiblichen Erleichterung langsamer. Auch er hatte sich über ihnen geöffnet und bildete einen Schleier aus leuchtenden Braun- und Orangetönen. Die langen Stengel waren Augen, entdeckte sie – lange, ovale, neugierige braune Augen mit schwarzen Pupillen, die so merkwürdig aussahen, als hätte ein Witzzeichner sie aufgemalt. Sie waren unabhängig voneinander und blickten manchmal in verschiedene Richtungen. Vom Kern, dem ›Kopf‹ des Wesens, konnte man nur wenig sehen. Er schien eine weiche, grellgelbe Masse zu sein und hatte eher Ähnlichkeit mit dichtem, glattem Haar als mit dem Zentrum einer Blume. Die Drehung war inzwischen so langsam geworden, daß Mavra sich sogar zu fragen vermochte, ob diese Wesen wirklich Pflanzen oder unglaublich exotische Tiere waren.
Das Wesen hörte endlich ganz auf, zu rotieren, und trieb langsam in einer Richtung. Damit hörte zwar nicht die ganze Welt auf, sich zu drehen, aber es war doch viel erträglicher. Sie waren weit
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