Sechseckwelt 04 - Rückkehr auf die Sechseck-Welt
wir, so wenig, wie du Feuer und Rauch schnauben kannst.«
»Schon gut.« Zigeuner seufzte und wechselte das Thema. »Diese Olympierin ist wahrhaftig ein Prachtexemplar. Alle Attribute jeder Traumfrau, die sich irgendeiner ausdenken kann, aber sie sagt mir nichts. Sie hat etwas an sich – vom Pferdeschweif natürlich immer abgesehen –, das einfach nicht menschlich ist. In mancher Beziehung halte ich sie für viel weniger menschlich als dich, Marq.«
Der Chugach lachte in sich hinein.
»Vielleicht sollte ich zu ihr raufgehen.« Er verstummte kurz und schnaubte ein wenig. »Ob sie mich auch fragen würde, ob ich Nathan Brazil bin?«
»Vermutlich. Ich weiß aber nicht, was sie tun würde, wenn du es zugeben würdest. Verrückte Religion. Möchte nur wissen, wie Brazil das aushält? Vermutlich ist er irgendwo ganz tief untergetaucht, um seine Ruhe zu haben, der arme Kerl.«
Die Saurierlider stiegen hoch.
»Du glaubst wirklich, daß es eine solche Person gibt?«
»Aber sicher«, erwiderte Zigeuner. »Er und ich haben uns vor zwei Jahren vollaufen lassen, bevor diese Sektensache groß wurde und sich ausbreitete. Ein verdammt netter Kerl. Möchte wissen, wie diese fremden Schönheiten dazu gekommen sind, sich so auf ihn zu versteifen.«
Marquoz schwieg lange Zeit nachdenklich, dann sagte er: »Zigeuner, bist du sicher , daß es eine solche Person gibt? Ich meine, er hat dir nicht einfach was vorgeschwatzt? Die Sekte gibt es immerhin schon seit gut zehn Jahren.«
»Nein, er war wirklich Brazil. Ich war in seinem Schiff – ein Frachter wie der hier, nur viel älter und lauter.« Er zog die Brauen zusammen. »Warte mal – die ›Stepkin‹ – nein, stimmt nicht. Die ›Stehekin‹, glaube ich. Kein Luxus, spartanische Kajüten, alles altmodisch, aber das Ding konnte enorm viel schleppen, und er hielt es in Ordnung. Auf seinem Pilotenschein stand Brazil. Wir machten immer Witze darüber – den Erneuerungsmarken nach schien er schon ewig zu leben. Hmm… Vielleicht ist das der Grund, warum sie so an ihm kleben. Beinahe eine legendäre Gestalt, glaube ich. Der älteste Pilot im Dienst, obwohl er mir wie fünfundzwanzig oder dreißig vorkam. Kannte Raumfahrer, die behaupteten, ihre Väter und Großväter hätten ihn gekannt. Manche Leute kommen einfach als Glückspilze auf die Welt – ich vermute, daß er Verjüngungen einfach besser verträgt als die meisten Leute.«
Der Drache nickte.
»Wie sah er aus, dieser Brazil?« fragte er.
»Kleiner Kerl«, meinte Zigeuner achselzuckend. »Kann nicht schwerer gewesen sein als sechzig, fünfundsechzig Kilogramm, und war einen Kopf kleiner als ich. Lange, schwarze Haare, ungepflegter Bart. Zog sich gern grell, aber schlecht an und rauchte ganz stinkige Stumpen. Äußerlich ein harter Bursche, aber tief innen ganz weich, das spürte man. Ich möchte aber nicht mit ihm raufen oder ihn unter den Tisch saufen müssen. Immer voller Leben. Er schien nichts und niemanden ernst zu nehmen. Aber ganz tief innen, wo das Weiche war, muß er ein ganz Ernster gewesen sein – kalt, berechnend, reiner Geist und nackte Emotion. Wenn man ihn sah, wär' man nie draufgekommen, aber bei einem Kampf hätt' ich ihn gern auf meiner Seite.«
Marquoz nickte aufmerksam. Zigeuner hatte ohne Rücksicht auf seine Vorliebe für schwülstiges Gerede eine enorme Menschenkenntnis und täuschte sich fast nie.
»Möchte wissen, was die Olympierin sagen würde, wenn du ihr das erzählst?«
Zigeuner richtete sich auf der Koje kerzengerade auf.
»Guter Gott! Das würde ich nie wagen! Ich bekäme eins auf den Schädel und würde zu einem Verhör in einen der Tempel geschmuggelt werden! Ein paar Freunde von mir sind auf diese Weise verschwunden, da sie zu nah an diese Damen drankamen. Marquoz hob abwehrend die kleine Reptilienhand. »Schon gut, schon gut, ich frage ja nur.« Marquoz lachte. »Aber im Ernst, ich glaube wirklich, die Kom-Polizei sollte sich einmal gründlich mit ihm befassen. Wenn er die freie Seele ist, wie du behauptetest, könnte er mit der Sekte selber Geld verdienen.«
Zigeuner lachte nun seinerseits spöttisch.
»Wohl kaum! Nein, wenn ich ihn richtig einschätze, ist er verschwunden und hat sich so vergraben, daß die beste Polizei ihn nicht findet. Außerdem kenne ich ein paar Kom-Bonzen, die versucht haben, an die Unterlagen über ihn heranzukommen. Nichts zu machen.«
»Du meinst, es gibt keine?«
»Natürlich gibt es welche«, sagte Zigeuner ungeduldig. »Jeder hinterläßt
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