Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
von passenden Wachwechseln, Nachtmanövern und umgestellten Essenszeiten, für die er untertags gesorgt hatte. Es würde gehen. Lautlos näherte er sich dem Schlafenden, die Spritze in der erhobenen Hand.
» O närrischer Mann! « dröhnte eine Stimme hinter ihm.
Er fuhr herum, die Spritze in der Hand, Brazil schnaubte und fuhr aus dem Schlaf hoch, erstarrte aber, als er die dramatische Situation erfaßte.
Sie waren zu dritt – riesige, zottigweiße Geschöpfe, hier in dieser Atmosphäre ganz fehl am Platze. Asam wußte auf der Stelle, was sie waren; er hatte sich fast sein ganzes Leben lang gewünscht, ihnen zu begegnen.
»Was denn?« fragte Brazil. Er setzte sich auf und rieb seine Augen. »Was soll das, Asam? Und wer oder was seid ihr drei?«
» Er kennt uns«, sagte der riesenhafte Sprecher.
»Ihr – ihr seid Gedemondaner«, krächzte Asam, vor Schrecken und Scham beinahe sprachlos.
Brazil blickte mit ernster Miene auf die verräterische Spritze in Asams Hand.
»Sie wollten mich also verkaufen«, sagte er traurig. »Der große Colonel Asam.«
»Sangh… kam zu mir. Hier. Mitten im Lager. Er kann durch Gestein schwimmen, man ist nirgends vor ihm sicher«, sagte der Dillianer dumpf, wie von einem Traum befangen.
»Er wollte sie lebendig essen, Brazil. Bei lebendigem Leib !«
»Und so einem Ungeheuer wollten Sie vertrauen, daß er sie sicher und gesund herausgibt«, erwiderte der kleine Mann und schüttelte traurig den Kopf. »Ich weiß nicht, ob wir jemals etwas lernen. Asam, vor sehr langer Zeit bat uns auf der Welt meiner eigenen Art ein Mann wie Gunit Sangh um Vertrauen. Wir schenkten es ihm, und er verschlang ganze Nationen, eine nach der anderen, dann richtete er Millionen hin und folterte sie. Es kostete noch einmal Millionen Menschenleben, um ihn endlich zu besiegen – und trotzdem gingen Leute her und taten dasselbe wieder bei anderen Ungeheuern dieser Art. Gerade jemand wie Sie sollte wissen, daß Sangh sein Wort niemals halten würde. Wir haben heute schon darüber gesprochen. Ehre ist ein Fremdwort für ihn – und Sie scheinen in der Lage zu sein, den Sinn dehnbar zu nehmen. Aus Eifersucht wären Sie bereit gewesen, all jene zu verraten, die für ihre Sache gekämpft haben und gestorben sind.«
»Eifersucht? Nein, Brazil! Liebe, ja, aber nicht Eifersucht!« fuhr der Colonel auf.
»So wenig kennen Sie sich also«, meinte Brazil seufzend. »Gut, Asam. Es ist nun einmal geschehen.«
Asam nickte.
»Es ist geschehen. Ich werde Ihnen natürlich nicht länger zur Last fallen. Sie ist jetzt praktisch tot, und ich will sie nicht überleben.«
»O närrischer Mann, sie lebt«, sagte der Gedemondaner.
»Aber wie lange noch?«
»Sie ist durch brutale chirurgische Eingriffe völlig gelähmt worden«, erklärte das zottige Wesen. »Sie wäre, mit Ausnahme von Dahir-Zauberei, für immer ein hilfloser Krüppel gewesen. Sie hätten einen lebenden Leichnam bekommen.«
Colonel Asam ließ die Spritze fallen und begann zum erstenmal in seinem Leben zu weinen. Die Gedemondaner standen ausdruckslos dabei, und Brazil blieb ruhig sitzen und wartete, bis Asam sich ausgeweint hatte. Nach einigen Minuten ließ Asam stumm den Kopf hängen und erwartete das Urteil über sich.
»Mir fällt auf, daß Sie sagen, sie wäre ein hilfloser Krüppel gewesen«, sagte Brazil zu den Gedemondanern, »nicht, daß sie einer ist.«
Der andere nickte.
»Zwei Brüder und eine Schwester sahen den Überfall und gingen mit«, erklärte er. »Die Wesen, die sie trugen, wunderten sich darüber, daß sie so schwer war, aber sie sahen uns nicht.« Er schien insgeheim darüber zu lächeln. »Als es ging, setzten sie sich mit ihr in Verbindung – aber zu spät, um ihr zu helfen. Außerhalb von Gedemondas sind unsere Kräfte ein wenig eingeschränkt; wir können die Ereignisse nicht beeinflussen und sie auch nicht so klar erkennen, und so groß wir auch sind, wir wären ihren Truppen nicht gewachsen gewesen, vor allem nicht in Dahir. Die Zauberei dort ist wirkungsvoll, und wir kommen nicht dagegen an.«
Er nickte.
»Verstehe. Aber ihr habt trotzdem etwas getan, nicht?«
»Sie versuchten das einzige, was unter diesen Umständen möglich war«, fuhr der Gedemondaner fort. »Es gibt ein Verfahren, das mangels eines besseren Ausdrucks Übertragung genannt wird. Wir kannten es, obwohl es nach unserem Wissen das erstemal war, daß Gedemondaner es ernsthaft versucht haben. Es geht darum, das Wesen einer Person, die Seele, den Intellekt,
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