Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
Brazil. Sichtbar, leicht zu orten, reif fürs Pflücken, noch über dreitausend Kilometer bis zur nächsten Avenue vor sich. Irgendwie war da etwas faul. Es war zu auffällig, zu naheliegend, zu sehr ein dummer Fehler in einem Unternehmen, das bisher glänzend geplant und ausgeführt worden war. Es war, als sei, während für ihn alles nach Wunsch lief, Brazil plötzlich herausgeschossen und hätte gerufen: »Hier bin ich! Kommt und holt mich!«
Und verwundbar war er. Mit Ausnahme des Todes war er gegen nichts von dem immun, was auch allen anderen zustoßen konnte. Er durchlitt Schmerz und Qual und war von Hypnogeräten bis zu Zauberei allem ausgesetzt.
Ortega tastete einen Kommunikations-Code ein.
»Oberkommando«, meldete sich eine übersetzte Stimme.
»Hier Ortega. Was hat Kommandeur Sangh vor, nachdem die Mitteilung über Brazil eingegangen ist?«
Der Nachrichtenoffizier zögerte.
»Sir, ich glaube, das können wir im Augenblick nicht bekanntgeben. Nicht einmal Ihnen, Sir.«
»Ich komme hin«, knurrte Ortega. »Hier ist etwas ganz und gar nicht in Ordnung, und ich möchte mich vergewissern, daß keine Fehler gemacht werden.« Er schaltete zornig ab und glitt hinter seinem großen, U-förmigen Schreibtisch hervor zur Tür.
In den Korridoren ging es immer noch wild zu; die Neuzugänge schienen kein Ende zu nehmen, und er wußte, daß er sie nicht mehr lange schützen konnte. Wenn Brazil gefangen wurde, oder selbst wenn sie glaubten , ihn zu haben, würden rund um die Welt plötzlich viele Hemmungen abgebaut werden.
Das Oberkommando befand sich in der czillanischen Botschaft, einfach deshalb, weil Czill die besten und modernsten Computer und Archive besaß und leichten Zugang bot. Die Maschinen in der Botschaft waren verträglich mit denen in Czill, und Informationen konnten rasch ausgetauscht werden, indem die Czillaner die Speichermodule zwischen Heimathex und Botschaft hin- und herbeförderten.
Es herrschte Andrang von vielen Rassen, die im fraglichen Gebiet Streitkräfte stehen hatten. Jemand von Ortegas Umfang mußte aufpassen, sonst konnte er durch irgendein dorniges, giftiges oder anderweitig tödliches Wesen durch Zufall verletzt werden, das nur versuchte, sich den Weg freizumachen.
Er entdeckte Sadir Bakh, den stellvertretenden Dahbi-Kommandeur, Gunit Sanghs Mann in Zone. Ortega mochte die Dahbi nicht besonders, obwohl er im Rahmen der Befehlsstruktur auf rassischer Grundlage hier nur mit einer Handvoll von ihnen zu tun hatte. Hätte Mrabzil die andere Richtung eingeschlagen, dann wäre nicht Sangh der Oberbefehlshaber gewesen, aber Dahbi hätte sich auf dem Marschweg befunden.
»Bakh! Was will der Befehlshaber unternehmen? Wo ist er überhaupt, verdammt?«
Der zusammengeklappte Dahbi drehte sich um, einem Gespenst ähnlicher denn je, und seufzte.
»Ihre Heiligkeit ist mit dem Cebu-Kommandeur nach Cebu geflogen, als sich die Lage in Ambreza geklärt hatte«, sagte er kühl. »Dort befindet er sich jetzt. Wir haben ein gemischtes Heer von ungefähr fünfundzwanzigtausend Mann in Bereitschaft, und weitere Zwölftausend Mann werden zur Zeit von Conforte über Laibir nach Suffok transportiert. Das sollte genügen, um diesen Weg und die Ellerbanta-Verion-Avenue anzuschneiden. Der Feind ist zur Zeit in drei Armeegruppen gespalten. Der awbrische Teil besteht aus etwa sechstausend Einheimischen und zweitausend anderen. Parmiter bleibt offiziell neutral, aber wir glauben, daß das zum großen Teil vom Feind erkauft ist und Parmiter die technologischen Waffen liefern soll, die das awbrische Heer braucht.«
»Warum bombardiert er die verdammten Fabriken von Cebu aus nicht?« knurrte Ortega.
»Wie der Botschafter sicher weiß, ist Parmiter offiziell auf unserer Seite. Verwandeln wir auf den bloßen Verdacht hin, daß einige Parmiter uns schaden – Sie wissen, daß das ziemlich anarchistische Leute sind –, mutmaßliche Kollaboration in aktive Gegnerschaft?«
Ortega nickte düster. Verdammt, die Karten waren wirklich ungünstig verteilt.
»Ihr zwingt sie also in Richtung Yaxa-Harbigor-Avenue«, stellte er fest, während er auf die Lagekarte blickte.
»Alle von uns, alle bewaffnet, alle bereit und gut ausgerüstet. Wir glauben, daß sie am Meer der Stürme entlang nach Norden gehen werden, um die Hochtech-Hexes möglichst zu meiden. Sobald sie nördlich von Boidol sind, bilden wir eine dichte Mauer, während sie sich in feindlichen Hexagons befinden und die See überall im Rücken haben. Das wird die
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