Sechseckwelt 05 - Dämmerung auf der Sechseck-Welt
Eigenschaften eingeprägt hatte.
Voraus gab es ein Getümmel, und Marquoz eilte hin, um den Grund zu erkunden. Zu seiner Überraschung entdeckte er drei sehr junge Menschenfrauen, die scheinbar bettelten oder flehten und sich nervös umschauten. Sie waren nackt, trugen kupferne Halsbänder und schienen sich von den anderen nicht zu unterscheiden – nur besaßen sie den Mut, sich der Marschkolonne zu nähern, von der niemand sie verstehen und auch nur zur Kenntnis nehmen wollte.
»Was hat das zu bedeuten?« brüllte er.
Die Frauen reagierten, als wären sie plötzlich wahnsinnig geworden.
»Du kannst uns hören!« riefen sie. »Du kannst uns verstehen! Gott sei Dank!«
Sie nickten. Er wandte sich den Offizieren zu.
»Gebt das weiter: Alle Glathrieliten, die sich an uns wenden, werden unter unseren Schutz gestellt und von mir persönlich in Augenschein genommen. Klar?«
Man gab den Befehl weiter. Sich nichts entgehen lassen, keine Soldaten abweisen, dachte er, gleichgültig, wie schwach oder klein sie aussahen. Außerdem mochte einer davon Zigeuner sein – äh, Nathan Brazil. Man durfte ihn keinesfalls zurücklassen, nachdem man sich solche Mühe gemacht hatte, ihn abzuholen, dachte er spöttisch.
Als man das Lager für die Nacht aufgeschlagen hatte, ließ er sie zu sich bringen. Man hatte unterwegs noch einige mehr aufgenommen – vielleicht insgesamt zwanzig –, zwei Männer, die übrigen Frauen. Sie waren natürlich wie alle anderen durch den Schacht gegangen und in Ambreza aufgewacht. Der Schacht berücksichtigte einen Hex-Tausch nicht, so daß Ambreza-Neuzugänge im alten Ambreza oder Glathriel auftauchten, während für Menschen das Umgekehrte galt. Sie fielen dadurch natürlich auf und waren rasch ergriffen und nach Glathriel gebracht worden, wo man sie auf die Felder geschickt und ihnen die Halsbänder angelegt hatte. Niemand konnte das schreckliche System fassen, und noch weniger begreiflich war die absolute Unterwürfigkeit der Einheimischen.
Sein Befehl hatte gelautet, die Nordwestkante von Glathriel zu erreichen und dort entlang zur Küste zu marschieren, dann weiter nördlich in Ginzin einzudringen und weiterzuziehen, bis er mit Mavras Armee zusammentraf, die genau nach Westen unterwegs war. Seine Nachrichtenverbindungen waren gut; Jorgasnovarier, riesengroße, häßliche platte Wesen, die aus irgendeinem Grund wie die Vögel fliegen konnten, rasten oft Hunderte von Kilometern weit zu einem zugänglichen Zone-Tor, um Nachrichten zu beschaffen, dann kamen sie zurück. Er erfuhr von der Schlacht in Olborn und dem Weitermarsch fast innerhalb von Stunden – und dort hörte man jetzt von ihm.
Vor ihnen erhob sich am Meer von Turagin jetzt Ginzin. Und noch immer keine Spur von Brazil. Das abstoßende, heiße, vulkanische Land war für die meisten ihrer Art ungastlich, aber hier, wo Land und See zusammenstießen, passierbar.
Er begann sich zu fragen, ob irgendein Fehler passiert war.
An der Küste hinauf ging es langsam voran, und sie hatten besondere Schwierigkeiten mit ihrem schweren Gerät. Trotzdem hatte er damit gerechnet, daß Brazil inzwischen auftauchen würde – oder vielmehr ein Brazil-Ebenbild, das er gut kannte, das aber für alle anderen Brazil sein würde. Wo blieb er?
Am letzten Abend in Ginzin kampierten sie schließlich, so gut sie konnten, am Strand hinauf und hinunter aufgereiht, und sahen die Sonne langsam untergehen. Er saß da und beobachtete müßig das Spiel des Sonnenscheins auf den anlaufenden Wellen, als er draußen etwas zu sehen glaubte. Er versuchte es zu erkennen. Ein Schiff – dort draußen war ein Schiff! Waynir war hochtechnologisch, und er konnte den aus den Schornsteinen quellenden Rauch sehen, als das große Schiff nach Nordwesten dampfte. Es schien jedoch der Küste seltsam nahe zu sein und ein gewisses Risiko einzugehen; im Seichtwasser hier waren Riffs und Untiefen verborgen. Er griff nach seinem Feldstecher, einem schutzbrillenartigen Gerät, eigens für seine eigenartigen Augen gebaut. Es war leistungsstark.
Er schaute hinaus und verfolgte, wie das geheimnisvolle Schiff, ohne die Fahrt zu verringern, ein kleines Boot zu Wasser ließ, das Kurs auf das Ufer nahm.
Argwöhnisch befahl Marquoz dem Posten, die anderen insgeheim zu alarmieren. Hier in einem nicht-technologischen Hex, auf der einen Seite mit dem Rücken zur See, auf der anderen zu den Vulkanklippen, schien der ideale Ort für einen Angriff zu sein.
Sie beobachteten wachsam und warteten, als
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