S.E.C.R.E.T. 1
Sie vielleicht, aber meine Dienste können Sie sich leisten, denn ich arbeite ohne Honorar. Der Haken dabei ist, dass ich meine Klienten selbst auswähle.«
»Wofür stehen denn die Buchstaben?«
»Sie meinen S.E.C.R.E.T . Das, meine Liebe, ist ein Geheimnis«, sagte sie, und ein listiges Lächeln umspielte ihre Lippen. »Aber wenn Sie sich noch mal mit mir treffen, dann erzähle ich Ihnen alles darüber.«
»Okay.«
»Sie gehören zu den Frauen, von denen ich gern hören würde. Das meine ich ernst.«
Ich wusste, dass ich jetzt meinen skeptischen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, durch den ich wie mein Vater aussehe – der Mann, der mir beigebracht hat, dass es im Leben nichts umsonst gibt und dass es noch nicht einmal besonders fair ist.
Matilda erhob sich. Als sie zum Abschied die Hand ausstreckte, glitzerte ihr Armband in der Sonne. »Cassie, es war nett, Sie kennenzulernen. Und jetzt haben Sie meine Karte. Danke für Ihre Aufrichtigkeit.«
»Ich danke Ihnen für … dafür, dass Sie mich nicht für einen vollkommenen Schwachkopf halten.«
Sie ließ meine Hand los und nahm mein Gesicht mütterlich in beide Hände. Die Anhänger klimperten dicht neben meinem Kopf. »Ich hoffe, wir sehen uns wieder.«
Die Türglocken sagten mir, dass sie gegangen war. Mir war klar, dass ich sie nie wiedersehen würde, wenn ich sie nicht anrief – eine Tatsache, die mich auf unerklärliche Weise traurig machte. Sorgsam verstaute ich ihre Visitenkarte in meiner Bauchtasche.
»Du schließt neue Freundschaften, wie ich sehe«, sagte Will. Er stand hinter der Bar und räumte gerade ein paar Flaschen Wasser aus einem Kasten in den Kühlschrank.
»Was ist daran falsch? Ein paar Freunde könnte ich durchaus gebrauchen.«
»Diese Frau ist ein bisschen neben der Spur. Sie ist so was wie eine vegane Hippie-Esoterikerin oder so. Mein Vater hatte früher mal mit ihr zu tun.«
»Ja, das hat sie mir erzählt.«
Dann hielt Will einen langen Monolog darüber, wie notwendig es war, mehr antialkoholische Getränke einzulagern, weil die Leute erheblich weniger tranken als früher, dass wir mehr Geld für Mineralwasser, Limonaden und Schorlen nehmen sollten und damit einen guten Gewinn erzielen würden. Aber ich konnte nur an Paulines Tagebuch denken. An die beiden Männer, einen hinter ihr, den anderen unter ihr. An die Art, wie ihr sexy Freund seine festen Hände ihren Unterarm hinuntergleiten ließ und wie er sie in aller Öffentlichkeit draußen in den Arm genommen hatte –
»Cassie!«
»Was? Was ist los?«, rief ich und schüttelte den Kopf. »Oh mein Gott, du hast mir einen Mordsschrecken eingejagt.«
»Wo warst du denn gerade mit deinen Gedanken?«
»Nirgends, ich bin hier. Ich war die ganze Zeit über hier«, erwiderte ich.
»Nun ja, dann geh jetzt mal nach Hause. Du siehst müde aus.«
»Ich bin nicht müde«, entgegnete ich. Und das stimmte. Ich hatte mich selten wacher und lebendiger gefühlt als jetzt.
DREI
Es verging eine Woche. Dann rief ich Matilda an.
Eine Woche mit dem üblichen Kram: Ich ging zur Arbeit und nach Hause, rasierte mir die Beine nicht, fasste mein Haar zum Pferdeschwanz zusammen, fütterte Dixie, goss die Blumen, bestellte mir was zu essen, trocknete Teller ab, schlief, wachte auf und fing wieder von vorne an. In dieser Woche schaute ich in der Dämmerung aus meinem Fenster im dritten Stock über die Marigny und erkannte, dass die Einsamkeit jedes andere Gefühl getilgt hatte. Sie war mittlerweile mein Lebenselement. Wie Wasser für einen Fisch.
Wenn ich hätte beschreiben sollen, was mich veranlasste, Matilda anzurufen … es war einfach so, dass mein Körper das alles nicht mehr ertragen konnte. Auch wenn mein Geist vor dem Gedanken, um Hilfe zu bitten, zurückschreckte, war es mein Körper, der mich zwang, das Küchentelefon im Café in die Hand zu nehmen und ihre Nummer zu wählen.
»Hallo Matilda? Hier spricht Cassie Robichaud aus dem Café Rose.«
Fünf Jahre spitzte die Ohren.
Sie schien überhaupt nicht überrascht zu sein. Wir unterhielten uns kurz über die Arbeit und das Wetter, dann vereinbarten wir einen Termin für den nächsten Nachmittag in ihrem Büro im Lower Garden District. Sie nannte mir Straße und Hausnummer. »Es ist das kleine weiße Haus neben der großen Villa an der Ecke«, erklärte sie, als ginge sie davon aus, dass ich mich dort perfekt auskannte. Tatsächlich hatte ich die Touristen-Attraktionen und Menschenmengen dort immer gemieden, aber ich behauptete, dass
Weitere Kostenlose Bücher