Secrets of Love - Teil 1
unangenehm anfühlte.
„Milch und Zucker?“
„Bitte.“
Mary betätigte einen Knopf an einem Kaffeeautomaten und stellte zwei Tassen darunter. Dann holte sie aus einem Schrank eine Packung Cookies und stellte sie auf den Tisch. „Die Bezeichnung Frühstück war vielleicht etwas übertrieben“, erklärte sie entschuldigend.
„Das ist kein Problem. Vielen Dank.“ Sie nahm sich einen Keks, biss hinein und krümelte sich dabei großzügig übers Kleid.
Mary setzte sich hinter ihren Schreibtisch und schaltete ihren Computer an.
„Willst du es mir erzählen?“, fragte sie dabei, nicht beiläufig genug, um es glaubhaft wirken zu lassen.
„Was?“
„Ich kann auch so tun, als hätte ich diesen geistesabwesenden Blick und deinen Griff an den Unterbauch bei der Erwähnung eines leiblichen Kindes nicht bemerkt.“
Diese Mischung aus professioneller Rücksichtnahme und freundschaftlicher Ehrlichkeit, die Mary ganz offenbar bis ins allerletzte Detail beherrschte, war wie geschaffen dazu, den Menschen ihre Geschichten zu entlocken, das begriff Daria schnell.
„Dieser Berg von Untersuchungsergebnissen, der gleich auf deinem Bildschirm auftauchen wird“, hob sie an, „existiert nur deswegen, weil ich mich dringend an das erinnern möchte, was in meinem Gedächtnis fehlt.“
Mary nickte. „Ja, davon gehe ich aus.“
„Wir beide wissen aber“, fuhr Daria fort, „dass es ein Geschenk ist, sich an all die Dinge nicht erinnern zu müssen, die mir in diesen acht Jahren angetan wurden. Wenn du gleich die Daten anschaust, wirst du sehen, wie umfangreich die Misshandlungen waren.“
Mary schwieg, schluckte sichtbar und ließ Daria weitererzählen.
„Ich will das alles nicht wissen, ich will mich nicht erinnern müssen, wie Gabriel es Tag für Tag muss. Ich sehe, wie es sein Leben beeinflusst, vielleicht sogar zerstört, Stück für Stück. Dieses Implantat, das mir keiner erklären oder entfernen kann und will, ist im Grunde ein Geschenk. Zumindest wäre es das, wenn da nicht diese kleine verblassende Narbe wäre.“
„Welche Narbe?“
„Ein Kaiserschnitt.“ Daria stellte mit zitternden Fingern ihren Kaffee ab. „Ich hatte während meiner Gefangenschaft, in etwa vor eineinhalb Jahren, wenn man nach dem Heilungsgrad gehen kann, einen Kaiserschnitt. Ich habe keine Ahnung, ob ich ein Kind habe. Ein Kind, das vielleicht noch am Leben ist. Gabriel unternimmt alles, geht jeder Spur nach, mir wurde Blut abgenommen und abgeglichen mit Kindern aus Waisenhäusern in Russland, Großbritannien. Mit allen Kindern in Europa, die anonym abgegeben oder ausgesetzt wurden. Aber es ist wie eine Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Vielleicht lebt mein Kind ja gar nicht. Vielleicht hat es das nie!“
„Ein Kind lebt immer“, erklärte Mary gedankenversunken. „Wenn das Herz anfängt zu schlagen, lebt es, dafür braucht es nicht geboren sein.“
Daria nickte mit Tränen in den Augen. „Ja, so sehe ich das auch. Ich muss einfach wissen, ob es gelebt hat, als man es mir wegnahm. Ich habe die Hoffnung, dass ich durch eine Erinnerung von damals irgendeine Spur entdecke, die mich zu ihm führt.
Mary kaute auf ihrer Unterlippe und starrte an Daria vorbei an die gegenüberliegende Wand. „Da es ein Kaiserschnitt war, spricht das zumindest dafür, dass das Kind schon ein gewisses Alter, einen gewissen Entwicklungsstand hatte.“
„Ja, ich weiß.“ Daria schniefte leise und nahm einen Schluck Kaffee.
„Aber, selbst wenn dein Kind lebt …“ Mary zog die Stirn kraus und schüttelte andeutungsweise den Kopf, bevor sie weitersprach. „… es ist das Kind eines …“
„Vergewaltigers.“ Daria nickte gefasst. „Ja, ich weiß. Wie du dir vorstellen kannst, habe ich darüber lange und ausführlichst nachgedacht. Aber es ist vor allem mein Kind. Mein Fleisch und Blut. Auch wenn Marlon nicht dein leibliches Kind ist, so liebst du ihn doch, nicht wahr?“
„Natürlich.“
„Und daran würde sich doch nichts ändern, wenn Aaron plötzlich zu einem irren Mörder würde.“
Mary blinzelte kurz irritiert, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Denn er könnte ja nichts dafür. Er hat …“
„Nichts damit zu tun!“, komplettierte Daria ihren Satz. „Und genau so geht es mir mit meinem Kind ebenfalls. Und deswegen, nur deswegen möchte ich diese Erinnerung zurück, die vielleicht mein Leben zerstören, aber mir eine Chance mein eigenes Kind zu finden geben würde.“
Kurz herrschte Schweigen, dann nickte Mary und
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