See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
weiter: »Es war eine Liste, auf der neben Joannas Namen noch andere standen. Wusstest du, dass im oder am Shadow Lake in den letzten Jahren drei junge Frauen ums Leben gekommen sind?«
»Das hat doch gar nichts miteinander zu tun«, wehrte Kate sofort ab. »Ich habe natürlich von den Todesfällen gehört, aber soweit ich weiß, war der eine ein Selbstmord und der andere ein Unfall. Das haben doch die Ermittlungen des Sheriffs zweifelsfrei erwiesen.«
»Aber genau davon bin ich nicht mehr überzeugt«, gab Tess zurück. Sie war etwas lauter geworden und musste sich zwingen, ihre Stimme wieder zu senken. »Ich habe den Bruder von Susannah MacIntyre kennengelernt. Er ist hierher nach Shadow Lake gekommen, weil er auch nicht an einen Selbstmord glaubt. Und ich denke, dass er recht hat.«
Tess sah Kate eindringlich an, aber diese starrte nur kühl zurück.
»Und was ist mit Millie Walls?«, fragte Tess deshalb. »Glaubst du wirklich, Millie wäre abgehauen und hätte sich bei keinem von uns je wieder gemeldet? Kein einziges Mal?«
Kate zuckte die Achseln. »So was passiert ab und zu. Du weißt selber, dass Millie ständig Streit mit ihren Eltern gehabt hat und es kaum erwarten konnte, in irgendeine Großstadt zu ziehen.«
»Kate, verstehst du denn nicht? Vier junge Frauen sind hier ums Leben gekommen oder verschwunden, das kann doch kein Zufall sein.« Tess stöhnte verzweifelt auf. Dann lehnte sie sich vor und meinte mit verschwörerischem Tonfall: »Weißt du, was das bedeuten könnte? Wenn in Shadow Lake tatsächlich ein Irrer am Werk ist, der wahllos junge Frauen tötet, könnte das bedeuten, dass Jared doch nicht für den Mord an Joanna verantwortlich ist.«
Kate starrte ihre ehemals beste Freundin schweigend an, wobei sie nervös auf ihrer Unterlippe kaute. Dann öffnete sie den Mund, als wollte sie etwas sagen, schloss ihn aber wieder. Stattdessen stand sie auf und wies auf die Tür.
»Ich glaube, du solltest jetzt besser gehen«, sagte sie kühl.
Tess blickte entsetzt zu ihr auf. »Kate, verstehst du denn nicht …«
»Tess, hör auf!«, unterbrach Kate sie mit ungewohntem Nachdruck in der Stimme. Leise und eindringlich fügte sie hinzu: »Lass die Toten einfach ruhen.«
Enttäuscht musste Tess einsehen, dass es keinen Sinn machte, noch weiter mit Kate zu reden. Sie stand auf, verabschiedete sich kurz von ihrer früheren Freundin und verließ das Haus. Im Hinausgehen spürte sie Kates Blicke in ihrem Rücken.
Als sie wieder auf der Straße stand, fühlte sich Tess wie betäubt. Es machte sie unglaublich traurig, was aus der einstmals so unzertrennlichen Freundschaft geworden war.
Als sie wieder zurück zu ihrem Auto ging, dachte sie noch einmal über alles nach. Sie verstand immer noch nicht, aus welchem Grund Kate sich ihr gegenüber so kalt und abweisend verhielt, aber inzwischen war ihr zumindest der Anlass klar geworden: Angefangen hatte es genau an dem Tag nach Joannas Tod.
26. Kapitel
Den ganzen Nachmittag hatte Ryan versucht, Susannahs alte Freunde ans Telefon zu bekommen. Nach allem, was er in den letzten Tagen erfahren hatte, wollte er noch einmal mit jedem von ihnen sprechen. Er hoffte, dass er doch noch einen Hinweis darauf bekommen würde, was wirklich mit seiner Schwester passiert war.
Leider hatte er nicht besonders viel Glück bei seinem Vorhaben gehabt. Entweder waren die Freunde von Susannah nicht zu erreichen gewesen – er hatte unzählige Nachrichten auf Mailboxen und Anrufbeantwortern hinterlassen – oder sie hatten absolut nichts Neues zu berichten gewusst.
Die Befragung von Susannahs Kollegen, die in Shadow Lake wohnten, hatte er erst einmal verschoben. Als er noch einmal die Liste mit ihren Namen durchgegangen war, hatte er überlegt, was passieren würde, wenn er zufällig mit dem Täter sprach. Auf diese Weise würde er ihn vorwarnen, sodass er Spuren, die er vielleicht hinterlassen hatte, beseitigen konnte. Also hatte Ryan beschlossen, zuerst abzuwarten, welche Hinweise die Gespräche mit Susannahs Freunden ergaben. Allerdings hatte er sich wesentlich mehr davon versprochen.
Jetzt saß er frustriert im Gastraum des Lakeview Inn am Tresen und trank einen Espresso. Hank Friday war zum Glück mit dem Reinigen der Kaffeemaschine beschäftigt, sodass Ryan ein aufgezwungenes Gespräch erspart blieb. Daher konnte er in Ruhe seinen Gedanken nachhängen.
Er wusste nicht, wo er als Nächstes ansetzen konnte. Das Einzige, was ihm wahrscheinlich übrig blieb, war, alle
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