See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
Kollegen von Susannah auszufragen. Er glaubte allerdings nicht, dass diese ihm unbedingt alles anvertrauen würden, selbst wenn sie etwas wussten.
Der einzige Lichtblick an diesem Tag war die Aussicht auf den Abend. Er wollte sich noch einmal mit Tess treffen, um gemeinsam mit ihr im Internet über Millie Walls zu recherchieren. Vielleicht konnten sie auf diesem Weg herausfinden, ob sie noch am Leben war.
Bei dem Gedanken an Tess musste Ryan unwillkürlich lächeln. Dass er ausgerechnet hier in diesem verschlafenen Nest auf eine so interessante Frau treffen würde, hätte er sich niemals vorstellen können. Er mochte sie, und hätten sie sich nicht unter so makabren Umständen kennengelernt, wer weiß, was daraus hätte werden können.
Das Klingeln seines Handys riss ihn abrupt aus seinen Gedanken. Er warf einen Blick auf das Display, konnte die angezeigte Nummer jedoch nicht zuordnen. Vielleicht war es einer von Susannahs Freunden, denen er eine Nachricht hinterlassen hatte. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Hank sofort seinen Kopf hob und ihn neugierig fixierte.
Um ungestört telefonieren zu können, stand er auf und ging kurz vor die Tür, bevor er das Gespräch annahm. Er setzte sich auf einen der mit Unkraut überwucherten Blumenkübel.
»Ryan? Ryan MacIntyre? Bist du es?«, klang eine helle Stimme aus dem Telefon, nachdem er sich gemeldet hatte. Sie kam ihm bekannt vor, aber er konnte sie nicht sofort einordnen. Die Anruferin kam ihm zu Hilfe. »Hier ist Tamara Bennett. Du hattest versucht, mich anzurufen.«
»Tamara! Hallo. Das ist ja klasse, dass du dich gleich meldest«, gab Ryan erfreut zurück. »Wie geht es dir?«
Er kannte Tamara schon seit der Highschool. Sie war mit Susannah in eine Klasse gegangen und die beiden hatte auch außerhalb der Schule fast jede freie Minute miteinander verbracht. Erst nach Abschluss der Schule hatten sich ihre Wege getrennt, da die beiden Colleges in verschiedenen Städten besucht hatten. Trotzdem hatten sie über die Jahre weiter Kontakt gehalten und sich immer wieder gegenseitig besucht. Ryan hatte die Hoffnung, dass Susannah Tamara in einem ihrer letzten Telefongespräche irgendetwas erzählt haben könnte, das ihm jetzt weiterhalf.
Er hatte Tamara schon lange nicht mehr gesprochen. Sie war nicht auf Susannahs Beerdigung gewesen, da sie zu dieser Zeit für ihren neuen Arbeitgeber, einen großen Pharmakonzern, in Asien unterwegs gewesen war.
»Mir geht es gut«, sagte sie jetzt. »Ich habe mich wirklich gefreut, von dir zu hören. Ehrlich gesagt habe ich immer noch ein schlechtes Gewissen, dass ich damals nicht zu Susannahs Beerdigung kommen konnte.«
»Das brauchst du nicht«, wiegelte Ryan sofort ab. »Es ging nun einmal nicht, und keiner nimmt dir das übel. Außerdem hast du doch eine Karte geschickt.«
Tamara seufzte. »Trotzdem kommt mir das einfach zu wenig vor. Susannah und ich waren doch so gut befreundet. Irgendwie fehlt mir einfach der Abschluss, verstehst du? Ich kann es immer noch nicht fassen, dass sie sich das Leben genommen hat. Es gibt schon ein paar Leute in meinem Bekanntenkreis, denen ich so etwas zutrauen würde, aber Susannah gehörte garantiert nicht dazu.«
»Das geht mir genauso«, stimmte Ryan leise zu. »Ehrlich gesagt ist das auch der Grund, aus dem ich dich angerufen habe. Ich bin gerade in Shadow Lake und versuche zu rekonstruieren, was in den letzten Tagen in Susannahs Leben passiert ist. Es gibt da einige Ungereimtheiten.«
»Shadow Lake?«, hakte Tamara nach. »Ist das nicht der Ort, an dem man sie gefunden hat?«
Ryan nickte, obwohl Tamara das durchs Telefon natürlich nicht sehen konnte. »Genau das ist er.«
Einen Augenblick schwieg Tamara, dann fragte sie vorsichtig: »Was meinst du denn mit Ungereimtheiten? Glaubst du etwa, Susannahs Tod könnte doch kein Selbstmord gewesen sein?«
»Das habe ich nicht gesagt«, gab Ryan schnell zurück. Er wollte weder selbst voreilige Schlüsse ziehen, noch wollte er unbewiesene Gerüchte in die Welt setzen. Bevor er nicht hundertprozentig davon überzeugt war, dass jemand anders für den Tod seiner Schwester verantwortlich war, würde er das auch nicht behaupten. »Ich versuche einfach nur zu verstehen, was in Susannah vorgegangen ist, bevor sie gestorben ist.«
»Ehrlich gesagt habe ich mich das auch immer wieder gefragt.« Tamaras Stimme klang brüchig. Ryan war sich beinahe sicher, dass sie lautlos weinte. Trotzdem fuhr sie fort: »Drei Tage vor ihrem Tod hat sie mich
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