See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
angerufen. Wir haben fast eine Stunde lang telefoniert, und sie war wie immer: gut gelaunt, witzig und schlagfertig. Als ich dann ein paar Tage später von ihrem Selbstmord erfahren habe, hat es mich regelrecht aus den Schuhen gehauen. Allein die Vorstellung, Susannah hätte sich selbst etwas angetan, war so absurd, dass ich es gar nicht fassen konnte!«
Ryan horchte interessiert auf. »Kannst du dich noch dran erinnern, was genau dir meine Schwester bei eurem letzten Gespräch erzählt hat?«
»Hhm, nein, so ganz genau nicht. Zumindest kann ich mich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, es ist ja auch schon eine ganze Weile her«, gab Tamara zu. »Aber ich weiß noch, dass sie eine ganze Weile über ihre Arbeit geredet hat. Sie hat davon gesprochen, dass sie zwar ein bisschen Heimweh hat und ihre alten Freunde vermisst, aber dass ihr neuer Job ihr Spaß macht und sie sich bestimmt schnell in der neuen Umgebung eingewöhnen wird. Sie klang total zuversichtlich. Außerdem hat sie erzählt, dass sie schon Anschluss in Medford gefunden hat. Sie hat wohl einiges mit ihren Arbeitskollegen unternommen.«
Ryan nickte nachdenklich. Was Tamara da sagte, stimmte haargenau mit dem überein, was Susannah in ihrem letzten Brief an ihre Mutter geschrieben hatte. Aber dann musste etwas passiert sein. Etwas Schwerwiegendes, das zu ihrem Tod geführt hatte. Die Frage war nur: was?
»Ist dir noch irgendetwas aufgefallen? Hat sie etwas Ungewöhnliches erwähnt?«, bohrte er nach.
Nach einer kurzen Pause, in der Tamara nachzudenken schien, antwortete sie: »Du hast recht. Da war etwas. Susannah hat es nicht konkret gesagt, doch sie hat immer wieder Andeutungen gemacht. So richtig wollte sie nicht mit der Sprache raus,« – Tamara zögerte kurz – »aber ich hatte den Eindruck, dass sie sich verliebt hatte.«
Ryan holte einmal tief Luft. Das war ein Aspekt, den er bisher noch gar nicht auf der Rechnung gehabt hatte. Konnte es sein, dass Susannah sich verliebt hatte, aber abgewiesen worden war? Hatte sie sich deswegen umgebracht? Er wusste, dass sie zu dieser Zeit keinen Freund hatte. Von ihrem letzten Freund, mit dem sie während ihrer Collegezeit zusammen gewesen war, hatte sie sich kurz vor dem Abschluss getrennt – einvernehmlich, soweit Ryan wusste. Aber das bedeutete nicht, dass sie nicht vielleicht einen Mann hier in Oregon kennengelernt hatte und sich unglücklich verliebt hatte. Wenn das wirklich der Fall sein sollte, würde er den Kerl finden und zur Rechenschaft ziehen.
»Hast du eine Ahnung, in wen sie sich verliebt hatte?«, fragte er.
»Leider nicht«, gab Tamara mit Bedauern in der Stimme zurück. »Namen hat sie gar nicht erwähnt, aber nach dem zu urteilen, was sie alles erzählt hat, kann es eigentlich nur jemand aus dem Kollegenkreis gewesen sein. Außerhalb der Arbeit hatte sie wohl noch niemanden kennengelernt.«
Nachdem Ryan sich bei Tamara für die Informationen bedankt hatte und ihr versprochen hatte, sie über alle Neuigkeiten auf dem Laufenden zu halten, verabschiedete er sich und legte auf.
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, bevor er ins Lakeview Inn zurückkehrte, um seinen Espresso zu bezahlen. In einer halben Stunde war er mit Tess verabredet. Vorher machte es keinen Sinn, noch etwas zu unternehmen, vor allem, da er sich erst einmal überlegen musste, wie er überhaupt weiter vorgehen sollte. Aber in einem Punkt war er sich inzwischen ganz sicher: Was immer auch passiert war, er würde nicht eher mit seinen Nachforschungen aufhören, bis er denjenigen gefunden hatte, der für Susannahs Tod verantwortlich war. Das zumindest war er seiner Schwester schuldig.
27. Kapitel
Nachdem Tess gegangen war, lief Kate unruhig in ihrem Wohnzimmer auf und ab. Ihre Gedanken überschlugen sich.
Vielleicht wäre es besser gewesen, ihre frühere Freundin gar nicht erst reinzulassen. Sie hätte sie direkt vorn an der Tür abfertigen können. Oder besser noch, sie hätte so tun können, als wäre niemand zu Hause. Aber dazu war es jetzt zu spät.
Andererseits hatte sie durch Tess` Besuch immerhin erfahren, dass Tess nicht so ahnungslos war, wie sie gehofft hatte.
Was wusste sie? Hatte sie etwa Verdacht geschöpft? Und was war mit ihren Andeutungen über Claire Meyers und Susannah MacIntyre? Konnte es wirklich sein, dass die beiden einem irren Killer zum Opfer gefallen waren?
Kate überlegte hin und her, suchte nach einem Motiv, aber schließlich schüttelte sie den Kopf. Laut des Berichts des
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