See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
hat«, fügte er hinzu, als er Tess` verständnislosen Gesichtsausdruck sah. »Ich habe ihr eine Nachricht auf ihrer Mailbox hinterlassen. Vielleicht haben wir Glück und sie meldet sich demnächst.«
»Hoffentlich«, stimmte Tess zu. »Aber das war nicht das Telefongespräch, das du vorhin geführt hast, als ich ins Zimmer gekommen bin, oder?«
Ryan schüttelte den Kopf. »Da habe ich mit Ronald Biederman gesprochen. Er ist ein alter Freund meines Vaters und kennt sich fantastisch in der Pharmakologie aus.« Er ließ sich auf das Bett fallen, das unter seinem Gewicht bedenklich knarrte. »Ich habe in Susannahs Akte gelesen, dass ihr Tod durch Phenobarbital ausgelöst wurde. Deshalb wollte ich ein bisschen mehr über dieses Medikament in Erfahrung bringen. Und was Ronald mir darüber erzählt hat, war ziemlich aufschlussreich.«
Tess runzelte die Stirn. »Inwiefern?«, wollte sie wissen.
»Weil es wieder ein Punkt ist, der nicht in das einfache Schema vom Selbstmord passt, wie der Sheriff es aufgestellt hat. Er hat sich nämlich gar nicht darum gekümmert, woher Susannah das Zeug überhaupt hatte.«
Ryan stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. »Ich bin immer davon ausgegangen, dass Susannah ein ganz normales Schlafmittel genommen hat, das man in jeder Apotheke kaufen kann«, erklärte er. »Aber dieses Phenobarbital wird als Schlafmittel normalerweise gar nicht mehr verwendet, weil es zu viele Nebenwirkungen hat und zudem wohl stark abhängig macht. Es kann nur von einem Arzt verschrieben werden. Inzwischen wird es fast ausschließlich bei Epilepsie eingesetzt.«
»Epilepsie?«, wiederholte Tess nachdenklich. »Das hieße ja, dass Susannah sich das Zeug bei jemandem besorgt haben müsste, der da dran kommt. War vielleicht einer ihrer Freunde Epileptiker?«
»Nicht dass ich wüsste«, entgegnete Ryan kopfschüttelnd. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, du könntest mir da weiterhelfen. Du kennst doch beinahe jeden in Shadow Lake. Gibt es unter den Einwohnern jemanden, der Krampfanfälle hat?«
Tess überlegte eine Weile. »Ich glaube nicht«, antwortete sie schließlich. »Zumindest fällt mir spontan niemand ein. Und eigentlich müsste ich das doch wissen. Aber wenn sie sich das Medikament weder von einem Freund noch von jemandem hier im Ort besorgt hat, wo hat Susannah es denn dann herbekommen?«
Ryan sah sie vielsagend an. »Genau das werde ich in den nächsten Tagen herausfinden«, meinte er entschlossen. »Und dann sind wir vielleicht schon einen großen Schritt weiter.«
39. Kapitel
»Es bleibt dabei. Ich will nicht, dass sie noch einmal in unseren Laden kommt. Ich will sie einfach nicht mehr sehen«, beharrte Wendy Miller und starrte geistesabwesend aus dem Fenster ihres Schlafzimmers in die Dunkelheit.
Frank Miller verdrehte die Augen. Seine Frau war schon immer ausgesprochen stur gewesen, aber in letzter Zeit grenzte ihr Verhalten an krankhaften Altersstarrsinn.
Als sie von ihrer Aushilfe gehört hatte, dass Tess Hennessey heute in ihrem Laden Lebensmittel eingekauft hatte, war sie vor Wut schnaubend die Treppe zu ihrer Privatwohnung hochgerannt und hatte sich im Schlafzimmer verbarrikadiert. Erst nach einem Überzeugungsmarathon von Frank, der mehr als zwei Stunden gedauert hatte, war sie bereit gewesen, wenigstens die Tür zu öffnen. Sie schmollte aber immer noch.
»Wendy, jetzt beruhige dich doch erst einmal«, versuchte er sie zu besänftigen. »Das Mädchen hat uns doch gar nichts getan. Ich bin davon überzeugt, dass sie selbst auch immer noch sehr unter Joannas Tod leidet. Denk mal dran, wie jung sie noch war, als sie das alles erlebt hat.«
»Das ist mir egal«, erwiderte Wendy trotzig.
Frank seufzte. »Aber was soll sie denn machen?«, wandte er ein. »Du weißt genau, dass unser Laden die einzige Möglichkeit in Shadow Lake ist, sich mit Essen und Getränken zu versorgen. Soll sie etwa zum Einkaufen immer nach Medford fahren?«
Wendy drehte sich zu ihrem Mann um. Zwischen ihren Augen hatte sich eine tiefe Zornesfalte gebildet. »Das ist nicht mein Problem, ihre Tante hat das ja schließlich auch immer gemacht«, schnauzte sie ihn an. »Außerdem redest du immer nur von dem Mädchen. Interessiert es dich denn gar nicht mehr, wie es mir dabei geht?«
Frank ging zu seiner Frau und strich ihr besänftigend mit dem Finger über die Wange. »Natürlich tut es das, und das weißt du auch. Du bist doch das Wichtigste für mich auf der Welt«, sagte er liebevoll. »Trotzdem
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