See der Schatten - Kriminalroman (German Edition)
sondern hörte nur konzentriert zu, wobei er häufig die Stirn runzelte.
»Okay, Ronald. Genau das wollte ich wissen. Danke, du hast mir wirklich sehr geholfen. Wenn ich mal irgendwann etwas für dich tun kann, gib mir einfach Bescheid«, sagte er nach kurzer Zeit. Dann verabschiedete er sich von seinem Gesprächspartner und legte auf.
Anschließend wandte er sich Tess zu. Als er ihre bedrückte Mine sah, kam er besorgt zu ihr. »Was ist denn passiert? Du siehst ja schrecklich aus.«
»Ich fühle mich auch schrecklich«, antwortete Tess in jämmerlichem Tonfall. Stockend begann sie ihm alles zu erzählen, von ihrem ersten unerfreulichen Besuch im Büro des Sheriffs, über den Fund von Millies Leiche bis hin zu ihrer Begegnung mit Justin Ciprati.
»Ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich von seiner Reaktion halten soll«, berichtete Tess nachdenklich. »Er hat sich irgendwie so merkwürdig benommen.«
»Inwiefern?«, hakte Ryan nach.
»Das kann ich nicht mal genau sagen«, gestand Tess ein. Sie überlegte einen Moment. »Als ich ihm erzählt habe, dass man die Überreste von Millie gefunden hat, da hatte ich den Eindruck, dass er gar nicht so erstaunt war. Vielleicht irre ich mich ja auch, aber …« Sie schüttelte den Kopf, weil sie selbst nicht wusste, was sie eigentlich empfand. Sie suchte nach den richtigen Worten. »Ich fand es irgendwie merkwürdig, denn er war anscheinend nur geschockt darüber, dass man sie gefunden hat, aber nicht, dass sie tot ist.« Sie lächelte verlegen. »Das hört sich total bescheuert an, oder?«
»Nein, überhaupt nicht«, widersprach Ryan ernst. »Ich weiß zwar noch nicht so genau, was ich davon halten soll, aber wir sollten das auf jeden Fall im Auge behalten.«
Tess nickte. Sie war erleichtert, dass er ihr glaubte.
»Danach war ich noch mal im Büro des Sheriffs«, erzählte sie weiter. »Ich war zwar nicht gerade scharf drauf, Marcks nach unserer Auseinandersetzung heute Morgen noch am gleichen Tag wiederzusehen, aber trotzdem wollte ich ihm persönlich sagen, was ich bei Mrs Pretzky erfahren habe. Er sollte wissen, dass Millie tatsächlich tot ist.«
Ryan zog grinsend einen Mundwinkel nach oben. »Und du wolltest ihm natürlich überhaupt nicht unter die Nase reiben, dass er zumindest im Fall von Millie mit seiner Einschätzung absolut danebenlag?«
Tess sah ihn empört an, musste dann aber kichern. »Naja, vielleicht ein kleines bisschen«, gab sie zu. »Leider war er nicht da, als ich hinkam. Deswegen musste ich Ruth Montgomery alles erzählen. Die hat keine Miene verzogen, aber immerhin versprochen, sofort alles an die richtigen Stellen weiterzuleiten.«
»Gut. Dann kommt zumindest in diesen Fall langsam Bewegung«, folgerte Ryan. »Auch wenn es wahrscheinlich eine ganze Weile dauern wird, bis es erste Ermittlungsergebnisse gibt. Vermutlich wird sich die Polizei erst einmal auf dieses andere Mädchen, Cristina Gomez, konzentrieren. Da ihr Tod noch nicht lange zurückliegt, wird es bei ihr bestimmt einfacher, etwas herauszufinden.«
Tess ging zum Fenster und sah lange hinaus. »Seitdem ich Millies Namen auf Ellens Liste gelesen habe, habe ich ja schon damit gerechnet, dass ihr etwas zugestoßen ist. Aber trotzdem kann ich es immer noch nicht fassen, dass sie tot ist«, sagte sie traurig.
Dann drehte sie sich um und versuchte zu lächeln. »Was ist eigentlich mit deinen Nachforschungen? Hast du etwas Interessantes herausgefunden?«
»Wie man es nimmt«, gab Ryan achselzuckend zurück. »Zuerst einmal habe ich herausgefunden, dass Ellens Nachbar ein ganz widerliches Ekelpaket ist und nicht einmal ansatzweise zivilisierte Umgangsformen besitzt.« Er berichtete von seiner kurzen Begegnung mit Greg Koborski kurz zuvor. Tess hörte mit vor Erstaunen weit aufgerissenen Augen zu und schüttelte schließlich den Kopf.
»Ich kann das kaum glauben. Mir gegenüber war er doch so zuvorkommend, fast schon schleimig«, meinte sie.
Ryan zuckte die Achseln. »Vielleicht steht er einfach mehr auf Frauen«, vermutete er. »Naja, wie auch immer, ich kann damit leben. Bevor ich bei ihm war, habe ich mich in Medford mit ein paar Arbeitskollegen von Susannah getroffen und sie ausgefragt.« Er seufzte laut. »Sie waren auch alle wirklich nett und sehr hilfsbereit, aber etwas Neues konnten sie mir nicht erzählen. Unglücklicherweise war Jenny Darner nicht da. Sie hat gerade Urlaub und ist nach Las Vegas geflogen. Jenny ist die Kollegin, mit der sich Susannah ein Büro geteilt
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