Seegrund
fort.
»Als nächstes hätten wir Tassilo Wagner, den Architekten. Lebt mit seiner Frau hier in Kempten, das wisst ihr ja. Hat einige prestigeträchtige Objekte im Allgäu gestaltet, darunter das Glashaus in der Kemptener Fußgängerzone und natürlich das Musicaltheater. Er plant den Umbau der Industrieanlagen in Kottern und an der Füssener Straße. Er hat seine Firma eigentlich an seine Tochter und deren Mann übergeben, mischt aber wohl ab und zu noch ein bisschen mit. Zum Leidwesen der Mitarbeiter, wie man so hört. Dann wäre da noch …«
»Richard, jetzt hol doch mal Luft«, bremste Kluftinger seinen Kollegen. »Wir kommen ja gar nicht mehr mit hier.«
»Keine Angst, alle meine Ergebnisse druckt Sandy gerade aus und wird sie …«
Wie auf Stichwort öffnete sich die Tür und Frau Henske kam mit ein paar Blättern herein. Sie verteilte sie wortlos an die Kollegen und ging dann hüftwackelnd wieder nach draußen.
Die Blätter waren ohne die Pfeile, Grafiken und schnörkeligen Schriftarten, die Maiers Recherchematerial sonst zierten. Stattdessen waren stichpunktartig die Ergebnisse aufgereiht. Es war deutlich zu spüren, dass er ihnen zeigen wollte, dass er auch anders konnte.
»Ihr habt jetzt ja alle das Blatt, dann kann ich wohl weitermachen. Wie gesagt, wäre da noch Johann Röck, aber über den haben wir ja eigentlich schon alles gesagt: Bankier, erfolgreich, Witwer, ein Sohn, der jetzt in Kempten im Krankenhaus liegt. Die vierte Person, der ich nachgehen sollte, ist verstorben, vor genau zwölf Jahren. Theo Lehner hat bei der Stadt Füssen gearbeitet und es da bis zum Kämmerer gebracht. Sehr angesehener Mann. Das war’s von mir.«
Maier nahm einen Schluck Wasser und lehnte sich zurück, als schien er auf eine Reaktion der anderen zu warten. Die blieb allerdings aus, denn Hefele ließ erst gar keine Pause aufkommen.
»Meine erfreuen sich bis auf einen bester Gesundheit«, begann er. »Ich habe da einmal einen Ex-Anwalt aus Füssen, Alfons Karg, der inzwischen in einem noblen Altenheim in Hopfen lebt. Allerdings keines, wie man es normalerweise kennt. Eines für Betuchte«, sagte Hefele. »Das Interessante daran ist, dass er keine Angehörigen mehr hat. Zudem war er an Immobiliengeschäften in der Ex-DDR beteiligt, die alle den Bach runtergegangen sind. Bis auf eine kleine Rente ist er beinahe mittellos. Und wisst ihr, von wessen Konten seine monatliche Miete und Pflege dort im Nobelheim bezahlt wird? Abwechselnd wird überwiesen von den Konten von Werner Ulbricht, Erwin Gmeinder und Josef Blank!«
Die anderen blickten sich ratlos an.
»Ihr erinnert euch, die standen doch auch auf der Namensliste.«
Jetzt nickten einige der Kollegen.
»Dieser Ulbricht hatte einen Bauladen in Füssen, oder?«, merkte Maier an.
»Einen Bauladen?«, hakte Hefele nach.
»Ja. Einen Bauladen.«
»Du meinst, man ist bei ihm ins Geschäft gegangen und hat gesagt: Grüß Gott, ich hätt gern ein Haus, haben Sie da was für mich da?«
Glucksendes Lachen machte sich breit.
»Genau«, pflichtete ihm Friedel Marx bei. »Und der hat dann bestimmt gesagt: Gerne, soll ich’s Ihnen gleich einpacken? Und wie wär’s mit dieser netten Garage dazu?«
Maier erwiderte nichts und blickte wieder in seine Notizen.
»Also«, fuhr Hefele fort, »er hatte ein Bauunternehmen. Neben Hochbauprojekten waren die auch im Tiefbau tätig, lebten also unter anderem von Aufträgen aus öffentlicher Hand. Mittlerweile hat sein Schwiegersohn den Laden übernommen. Er verlagert sich noch mehr auf den Straßenbau. Die Firma war unter anderem auch beim Grenztunnel von Füssen nach Reutte beteiligt und baut jetzt auch die B19 nach Oberstdorf mit.«
Die Türe ging auf und Sandy kam mit einem Tablett herein, auf dem zwei Thermoskannen und ein paar Tassen standen.
»Hast du das gewusst, Sandy?«, rief Strobl und zwinkerte seinen Kollegen zu. »Der Ulbricht war beteiligt am Bau eines Grenztunnels.«
Die Sekretärin stellte das Tablett ab und blickte mit zusammengekniffenen Augen in die Runde. »Der Ulbrischt? Nee, sischer nisch. Der hat doch die Mauer erst bauen lassen.«
»Nicht nur eine, viele Mauern hat der gebaut«, ergänzte Hefele. Die Beamten hatten nun alle Mühe, nicht laut loszulachen.
»Viele Mauern? Wie meinste denn jetzt das? Es gab doch nur die eine. Und die hat der Walter Ulbrischt gebaut, ja.«
»Werner«, sagte Strobl und prustete los.
Sandy verstand gar nichts mehr. Aber sie hatte den Verdacht, dass man wieder einmal ihre
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