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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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kann sich der Unbekannte unmöglich selbst zugefügt haben. Irgendwie hat er es dann noch ans Ufer geschafft und nur Herrn Kluftingers Geistesgegenwart ist es zu verdanken, dass wir heute nicht einen Mord untersuchen müssen.«

Einen Tag zuvor

    Als der Außenbordmotor des kleinen Bootes zu röhren begann, sandte die Sonne gerade ihre ersten milchigen Strahlen ins Tal. Hier wurde es immer erst spät hell, gerade im Winter. Die gewaltigen Gipfel, die sich um den See erhoben, wirkten wie ein Schutzwall gegen den anbrechenden Tag. Ein zarter Dunstschleier lag auf der Wasseroberfläche und ließ die Landschaft märchenhaft und unheimlich zugleich erscheinen. Gerade war noch ein goldener Herbst über die Landschaft gezogen, nun herrschte bereits tiefer Winter, der hier oben endlos schien.
    Doch dafür hatte er heute keinen Blick. Seine Augen waren starr auf seinen Vordermann gerichtet. Vor seinem geistigen Auge spielte sich die Szene noch einmal ab. Er war furchtbar erschrocken, als ihm klar geworden war, wobei er ihn da erwischt hatte.
    Sicher, er hatte gewusst, dass er die Augen aufhalten musste. Er war gewarnt worden. Von ihm. Sie seien schlau. Man hatte ihm gesagt, was dann zu tun sei. Er solle keine Skrupel haben, es ginge um etwas ganz Großes.
    Er schwitzte. Es war eisig kalt, aber er fühlte, wie sich unter seinem Taucheranzug ein Schweißfilm bildete. Würde er es tun können? War er so abgebrüht? Aber was blieb ihm denn anderes übrig?
    Er erstarrte, als der andere sich umdrehte. Erriet er seine Gedanken? Unsinn. Er schüttelte den Kopf. Dann stellte er den Motor ab. Mitten auf dem See. Die Stelle war gut, da waren sie sich einig. Auch wenn sie nicht das gleiche Ziel verfolgten. Der andere stand auf und das Boot schwankte. Er musste sich festhalten. Auf einmal stieg nie gekannte, rasende Wut in ihm auf. Ja, er würde es tun, und es würde ihm nicht das Geringste ausmachen.
    Dann ging alles ganz schnell: Als sich der andere über den Bootsrand beugte, um die Wassertemperatur zu testen, nahm er die Pressluftflasche. Er hob sie mit beiden Händen über seinen Kopf, ließ sie mit Wucht niedersausen und traf den jungen Mann mit einer Kraft, die ihn selbst überraschte. Nur das dumpfe Geräusch des Aufpralls war zu hören, dann sackte der andere lautlos in sich zusammen und glitt in den See.
    Plötzlich war seine Wut verschwunden. Er starrte auf die Flasche in seinen Händen und namenloses Entsetzen ergriff ihn. Weg! Das war sein einziger Gedanke. Nur weg von hier! Er warf den Motor an. Sein Herz raste, als er aufs Ufer zuhielt. Er drehte sich nicht mehr um. Es war, als wolle er vor seiner eigenen Tat davonlaufen. Doch insgeheim wusste er, dass ihm das nicht gelingen würde.

Lodenbacher bekam einen roten Kopf: »Herrschofftszeitn, do macht grod jeda, wos er wui!« Mit diesen Worten ging er hinaus und ließ die Tür lautstark hinter sich ins Schloss fallen.
    Die beiden Kollegen, die er zurückließ, sahen sich für eine Sekunde lang an und prusteten dann wie aufs Stichwort los.
    Dann wollte Kluftinger wissen, was Renn ihm eigentlich zeigen wollte.
    »Ach ja, gut, dass du mich dran erinnerst. Wart nur schnell, ich lad das noch auf den PC.« Er schraubte die Kamera vom Stativ und setzte sich an seinen Schreibtisch. »Nicht, dass ich die Sitzung mit dem Lodenbacher wiederholen muss. Ist nicht gerade ein Kinderspiel, dem Herrn ein Lächeln abzuringen.«
    Er zog die Speicherkarte aus der Kamera und steckte sie in eine schmale Öffnung am Computer. Kluftinger sah ihm aufmerksam zu, denn er hatte den gleichen Schlitz an seinem PC, bisher aber noch nicht herausgefunden, wozu er diente.
    »Was zum Christkind für seine Frau«, bemerkte Renn, als der Computer anzeigte, dass die Bilder geladen wurden. Kurze Zeit später füllte das Porträt des Direktionsleiters den Bildschirm. Es sah in Kluftingers Augen sehr professionell aus, wie beim Fotografen aufgenommen. Als sich Renn von der Qualität der Bilder überzeugt hatte, drehte er sich zum Kommissar. Die kleinen Äuglein hinter der dicken Hornbrille blitzten schelmisch, als er seine Stimme senkte und sagte: »Soll ich dir mal was zeigen? Ganz neues Programm. Hab ich erst seit ein paar Tagen.«
    Kluftinger zuckte mit den Schultern. Er interessierte sich nicht sonderlich für die Feinheiten der Verwaltungssoftware, ganz im Gegensatz zu Renn, der eine geradezu kindliche Freude entwickeln konnte, wenn neue Gerätschaften oder Programme in die polizeiliche Datenverarbeitung Einzug

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