Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
Vom Netzwerk:
besser, als wenn der sein Kasperlgesicht auf dem Bildschirm entdecken würde. Und genau genommen würde sich damit sowieso nichts an Lodenbachers Einschätzung dem Kommissar gegenüber ändern, schließlich hatte der ihm mehr als einmal zu verstehen gegeben, dass er ihn für respektlos, unhöflich und taktlos hielt.
    »Entschuldigung, ich bin etwas …« Kluftinger überlegte: Was war er etwas? Er hatte den Satz angefangen, ohne darüber nachzudenken, wie er ihn beenden sollte. Etwas müde? Dann würde Lodenbacher lapidar mit einem »Schlofan S’ Eahna aus!« antworten. Verkatert? Unwirsch?
    »… erkältet«, seufzte er schließlich.
    Lodenbacher entspannte sich. Kluftinger wusste, dass er es gern sah, wenn sich die Kollegen krank, am besten noch mit Fieber zur Arbeit schleppten. »Tüchtig« nannte er das. Als »deppert« pflegte Kluftinger es zu bezeichnen. Dennoch war er stolz darauf, dass er in seiner langen Karriere insgesamt nur fünf Fehltage zu verzeichnen hatte. Innerlich war er eben doch ein korrekterer Beamter, als er es sich selbst eingestanden hätte.
    Sein Vorgesetzter zeigte sich einigermaßen verständnisvoll, beharrte jedoch auf der Feststellung, dass er nicht so arg hätte schreien müssen.
    »Ja, Sie haben ja Recht. Aber dann kommen auch noch der Stress und die viele Arbeit dazu«, erwiderte der Kommissar und zeigte bei dem Wort Arbeit ganz unbewusst auf den Bildschirm vor ihm.
    Damit weckte er erneut Lodenbachers Neugier: »Genau, jetzt song S’, wos homm S’ do so Wichtigs?«
    Kluftinger sprang aus dem Stuhl und stellte sich zwischen ihn und den Bildschirm.
    »Nein, ich mein nicht hier, das mit der Arbeit war ganz allgemein gesprochen.«
    Lodenbacher versuchte, an ihm vorbei zu schauen, doch jedes Mal, wenn der eine Bewegung machte, lehnte sich Kluftinger in dieselbe Richtung. Sie sahen aus wie zwei Clowns im Zirkus bei der berühmten »Spiegelnummer«. Es kam ihm kindisch vor und er überlegte, wie er die Situation noch retten könnte, bevor sein Vorgesetzter misstrauisch würde. Er musste ihm irgendetwas geben, ihm sozusagen einen Knochen hinwerfen, mit dem er sich …
    »Herr Lodenbacher, wie ist es eigentlich bei der Feierstunde gelaufen?«, fragte er plötzlich. Er wusste, dass sein Chef vor kurzem für die positive Entwicklung der Aufklärungsquote unter seiner dreijährigen »Regentschaft«, wie sie es gerne nannten, offiziell gewürdigt worden war. Sie waren die erfolgreichste Direktion in Bayern geworden, was Lodenbacher auf seinen phänomenalen Führungsstil schob. Kluftinger wusste, dass sein Chef sich sehr gebauchpinselt gefühlt hatte durch die Anwesenheit des Oberbürgermeisters, des Landrats und sogar eines Staatssekretärs aus dem Innenministerium. Er wurde nicht müde, davon zu erzählen. Normalerweise ging Kluftinger solchen Gesprächen aus dem Weg, doch heute hatte er keine andere Wahl.
    Lodenbachers Miene hellte sich sofort auf.
    »Ja hob i Eahna dös no gor ned vazöiht?«, fragte er und begann sofort, die Reden der Politiker im Wortlaut wiederzugeben und auch die Speisekarte detailliert zu rezitieren.
    Kluftinger hörte ihm scheinbar aufmerksam zu, warf ab und an ein paar kleine, Interesse heuchelnde Floskeln wie »Wirklich?« oder »Ach, das hat er gesagt?« oder »Ha, so was aber auch!« ein und dirigierte Lodenbacher dabei ganz langsam und vorsichtig in Richtung der Zimmertüre. Als sie sie erreicht hatten, öffnete er sie, sagte »Danke, dass Sie mir das jetzt erzählt haben, Herr Lodenbacher. Amüsant, wirklich« und schob seinen Chef sanft in den Gang. Er blieb noch einen Augenblick stehen, um zu hören, ob er wieder hereinkommen würde.
    Als ausreichend Zeit verstrichen war, atmete er tief aus und ging in den Nebenraum, in dem sich ein kleines Waschbecken befand. Er benetzte seine Hände und vergrub dann sein schweißnasses Gesicht in ihnen. Das war ja gerade noch einmal gut gegangen, dachte er und betrachtete sein gerötetes Antlitz im Spiegel.
    Im selben Moment hörte er, wie im anderen Zimmer die Tür wieder aufging.
    »I hobs ganz vergessn Eahna zum Verzöihn wia da Herr Landrot auf Sie zum Sprecha kemma is …«
    Kluftinger stürzte ins Zimmer zurück und sah Lodenbacher, der hinter dem Schreibtisch stand und auf den Computerbildschirm blickte. Seine Augen waren zusammengekniffen, seinem Gesicht war keine Regung abzulesen. Kluftinger spürte, wie sich unter ihm der Boden auftat. Wie sollte er das nur erklären? Er wollte die Schuld nicht auf Willi Renn

Weitere Kostenlose Bücher