Seegrund
als stoße er einen Fluch aus.
»Na ja, ganz ›einfach so‹ ist es ehrlich gesagt auch wieder nicht«, entgegnete Annegret Langhammer. »Aber hier ist erst mal das Früchtebrot, das ich für euch gebacken habe.« Sie übergab Erika einen Teller mit einem, in sternenverziertes Zellophanpapier eingepackten kastenförmigen Etwas, das Kluftinger eher an ein Kohlebrikett erinnerte, denn an ein Gebäck. Dann senkte sie ihre Stimme und fuhr verschwörerisch fort: »Aber ehrlich gesagt: Wir sind neugierig auf euren Familienzuwachs. Eine waschechte Japanerin in Altusried, das gibt es ja auch nicht alle Tage! Mein Martin interessiert sich halt so für Angehörige anderer Kulturen.«
»Oder habt ihr etwa gedacht, ihr könnt sie vor uns geheim halten?«, lachte Langhammer und die Frauen stimmten in sein Gelächter ein. Wie drei Waschweiber, dachte Kluftinger verächtlich.
»Der Zoo hat eigentlich schon geschlossen«, platzte Kluftinger in ihre Heiterkeit.
Ohne auf die Spitze zu reagieren, ging Langhammer auf ihn zu und sagte mit professioneller, gesenkter Arztstimme: »Na, mein Lieber, Sie sehen aber gar nicht gut aus.«
Kraftlos, aber missmutig gab er dem Doktor die Hand.
»So, jetzt setzt euch mal hin, ich mach uns was zu trinken und dann hol ich den Markus und die Miki. Wisst ihr, so nennen wir die Yumiko nämlich alle.« Seine Frau schien vor Stolz zu platzen. Es kam ihrem Mann vor, als koste sie den Augenblick aus, an dem sie den Langhammers einmal etwas Exotisches bieten konnte.
»Aha, eine Extra-Raubtierfütterung für den Asienforscher«, brummte der Kommissar kaum hörbar, als er sich ächzend aus dem Sessel erhob und sich mühsam zum Kachelofen schleppte. Wie gerne wäre er unter die Ofenbank verschwunden.
Wenige Minuten später saßen sie zu sechst um den Esstisch und tranken den Jasmintee, den Erika nach Yumikos Ankunft gekauft hatte und der nach Kluftingers Ansicht schmeckte wie aufgegossener Pfeifentabak. Langhammers hatten nur Augen und Ohren für den »Neuzugang«, wie sie sich ausdrückten, so dass Kluftinger bereits mit dem Gedanken spielte, sich still und leise ins Schlafzimmer zu verziehen. Sein Fehlen würde sowieso nicht auffallen; bei all den Fragen, die der Doktor zu stellen hatte und die Kluftinger vorkamen wie getarnte Beweise seiner Weitläufigkeit: Das japanische Gesundheitssystem habe ja auch einen ganz interessanten Ansatz, da könnte die deutsche Politik noch was lernen, dozierte er. Kluftinger traute sich aber nicht, ihn nach dem Unterschied zu fragen, denn er fürchtete, dass er ihn tatsächlich wissen könnte.
Als der Kommissar den letzten Schluck des Tees in seinen entzündeten Rachen kippte, verschluckte er sich dabei, was einen Hustenanfall zur Folge hatte, der sich zu einem dreißigsekündigen Dauerrasseln auswuchs, das ein wenig nach Friedel Marx klang. Als er sich wieder gefangen hatte und mit tränenden Augen keuchend in die Runde blickte, waren alle Gespräche verstummt und sämtliche Blicke sorgenvoll auf ihn gerichtet.
»Das hört sich aber wirklich nicht gut an, mein lieber Kluftinger«, tönte Langhammer mit öliger Medizinerstimme in die Stille.
Erika nickte besorgt und auch Annegret pflichtete ihr bei. »Martin, kannst du Herrn Kluftinger nicht was verschreiben?«, schlug sie vor.
»Ach ja, Martin, das wär nett. Du hast doch bestimmt sogar was dabei in der Arzttasche, oder?«, stimmte Erika ihr zu.
»Nein, nein, das braucht’s nicht, ich hab mich ja bloß verschluckt.«
Lieber wollte Kluftinger weiter vor sich hin husten, als Langhammer für seine Genesung dankbar sein zu müssen. Dass Kluftinger einen Arzt konsultierte, dafür brauchte es mehr als eine kleine Bronchitis.
»Ich bitte Sie, lieber Kluftinger, das macht doch gar keine Umstände. Natürlich bringe ich Ihnen gleich ein Medikament rein.« Der Doktor stand auf, um seine Arzttasche zu holen, die er im Auto gelassen hatte.
Kluftinger, der sich für eine effektive Gegenwehr viel zu schwach fühlte, nickte lediglich und beschloss, sich mit der Medizin sofort ins Schlafzimmer zu verziehen. Er setzte die Tasse erneut an, als Langhammer aus dem Flur rief: »Ich muss Sie vorher natürlich noch abhören und die Lunge abklopfen, einfach so ins Blaue kann ich Ihnen nichts verabreichen.«
Kluftinger hätte beinahe die Tasse fallen lassen. Vor Schreck spuckte er den Tee wieder zurück in die Tasse. »Ach wissen S’, Herr Langhammer, das braucht’s doch wirklich gar nicht. Wie gesagt, ich hab mich bloß
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