Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
ausgefütterten Mulde eingerollt und die Tatzen über die Nase gelegt. Als er ihn so daliegen sah, erfasste Toklo unvermittelt Mitleid, so dünn und erschöpft sah der junge Grizzly aus. Er legte die Beute ab und stupste Ujurak sanft in die Seite.
»He, Ujurak, wach auf.«
»Wie …?« Ujurak hob den Kopf und blinzelte. »Müssen wir schon los?«
»Nein.« Toklo schob seinem Freund das Schneehuhn hin. »Hier … friss das.«
Ujurak krabbelte aus der Mulde und sah den Vogel mit glänzenden Augen an. »Toklo, das hast du für uns gefangen? Du bist großartig!« Er stürmte zu dem Baum, in dem Lusa kauerte, und stellte sich auf die Hinterbeine. »Lusa! Lusa, komm runter! Toklo hat uns etwas zu fressen gebracht.« Zwischen raschelnden Zweigen tauchte Lusas Hinterteil auf. Rasch kletterte sie nach unten und lief zu Toklo, der neben seiner Beute wartete. »Danke, Toklo«, murmelte sie und kauerte sich hin, um sich einen Happen abzureißen.
Ujurak setzte sich neben sie, doch ehe er einen Bissen nahm, sah er zu Toklo auf. »Willst du denn nichts abhaben?«
Toklo schüttelte den Kopf. »Ich habe schon etwas gefressen.«
Sein Bauch war alles andere als gut gefüllt, doch Lusa und Ujurak waren so dankbar, dass er ihnen nichts wegnehmen wollte. Er legte die Schnauze auf die Tatzen und sah den beiden beim Fressen zu. Dann schloss er die Augen und döste langsam ein.
In dieser Nacht träumte er, dass sein Bruder Tobi noch lebte und groß und stark geworden war. Sie jagten zusammen, erlegten einen ausgewachsenen Hirsch, und anschließend teilten sie sich die Beute, die sie als Brüder zur Strecke gebracht hatten.
6. KAPITEL
Kallik
Kallik erwachte im milchigen Licht der Morgendämmerung und stand mühsam auf. Ihre Glieder waren noch steif und schwer, als sie dem schmalen Weg entlang der Bucht folgte.
»Bären gehören nicht an Land«, murmelte sie. »Vielleicht habe ich mich ja getäuscht mit dem silbernen Pfad? Ob meine Mutter wohl verärgert ist, weil ich den falschen Weg genommen habe?«
Als das Wasser dem Land wich, zögerte sie und blickte in die Richtung, die der Mond ihr gewiesen hatte. Das Land vor ihr war flach, mit struppigem Gras bewachsen und nur hier und da gesprenkelt mit einem Dornbusch. Das heller werdende Licht am Himmel spiegelte sich in silberfarbenen Tümpeln wider, in denen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne glitzerten.
»Jetzt oder nie«, sagte sie sich. Sie nahm einen tiefen Atemzug und trottete los, zum ersten Mal weg von der Bucht, weg von ihrem Geburtsort, weg von dem Ort, an dem sich die anderen Bären versammeln würden, um aufs Eis zurückzukehren.
Der Tag wurde immer heißer, und es fiel ihr schwer, noch ein Bein vor das andere zu setzen. Der Pelz juckte, und Kallik sehnte sich nach einem schattigen Plätzchen, an dem sie sich hinlegen konnte. Doch sie zwang sich weiterzugehen.
Ich wünschte, ich wäre wieder auf dem Eis, dachte sie. Ich wünschte, ich könnte nach Hause.
Als sie so dahintrottete, wurde Kallik das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurde, dass lautlose Pfoten ihr folgten. Sie sah sich unsicher um, doch da war nichts, keine Bewegung, kein Geräusch, abgesehen vom Rascheln des Schilfgrases im Wind.
»Wer ist da?«, knurrte sie, doch ihre Stimme klang dünn und schwach. Was für ein merkwürdiger Ort, dachte sie. Ich habe Angst vor Dingen, die gar nicht da sind.
Sie trottete weiter, doch das ungute Gefühl ließ sie nicht los. Sie versuchte, nicht daran zu denken, doch sie musste sich beherrschen, sich nicht dauernd umzusehen.
Die Sonne näherte sich dem Horizont, als Kallik ein merkwürdiges Grollen zu hören glaubte, sehr schwach, aber irgendwie vertraut. Donner?
Sie sah in den Himmel hinauf, der jedoch klar und tiefblau war, lediglich durchzogen von rosafarbenen Streifen. Gegen die untergehende Sonne sah sie die Umrisse einer dunklen Gestalt. Sie war größer als ein Vogel, wuchs aber im Näherkommen rasch an. Kalliks Magen verkrampfte sich, und in ihrem Kopf blitzte eine Erinnerung auf wie eine Seerobbe, die den Kopf aus einem Eisloch streckt.
Der Schwirrvogel!
Das Geräusch wurde lauter, bis es in ihrem Kopf hämmerte und in den Ohren schmerzte. Als der Schwirrvogel näher kam, erkannte Kallik darunter ein Netz. Darin befand sich ein großes zerknautschtes Bündel weißen Fells. Der Vogel trug einen Eisbären, mindestens einen, genau wie der andere Vogel, der Kallik und Nanuk hatte aufs Eis zurückbringen wollen. Kallik musste an den Wind in ihrem
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