Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
hin?«, brummte er.
»In den See«, erwiderte Toklo. »Ich will mir einen Fisch fangen.«
Der Grizzly schnaubte laut. »Da brauchst du Geduld, das kann ich dir sagen. Es gibt schon noch Fische da drin, aber nur sehr wenige. Nicht einmal genug, um ein dürres Junges wie dich richtig satt zu machen.«
Toklo sah sich verblüfft um. »Was sollen die vielen Bären hier denn dann fressen?«
Der Alte sah Toklo einen Moment schweigend an.
»Wie heißt du?«, wollte er dann wissen.
»Toklo.«
»Ich bin Shesh. Jetzt schau mal über das Wasser, Toklo. Was siehst du da?«
Toklo blickte auf den aufgewühlten grauen See und fragte sich, worauf der Alte wohl hinauswollte. »Äh … Wellen.«
»Und was noch?«, hakte Shesh nach.
»Eine Insel«, erwiderte Toklo. »Mit Sträuchern … und ein paar Bäumen.«
»Den See hier gibt es schon länger als die Bären«, erklärte Shesh. »Es war kalt und öde hier. Der Wind fegte über das Land hinweg, Schnee, Regen und Sonne fielen auf den Boden, doch es hat sich nie etwas verändert. Kein Lebewesen wagte es, sich hier anzusiedeln. Dann kam der große Bär Arcturus hier vorbei. Er suchte nach einem Revier, in dem er allein leben konnte. Er schritt über den See und in der Mitte hielt er an. Dort entstand unter seinen Tatzen eine Insel. Fische tummelten sich im Wasser, und er fraß sich satt, ehe er weiterwanderte. Seit dieser Zeit betrachten wir Bären diesen See als unseren, und einmal in jedem Sonnenkreislauf, zum Längsten Tag, kommen wir hierher, um der Wanderung jenes Bären zu gedenken und ihm zu danken.«
Das muss ein gewaltiger Bär gewesen sein, dachte Toklo. Wo er jetzt wohl ist?
»Komm doch mit zum Beratungsfelsen«, schlug Shesh vor. »Da wirst du mehr darüber erfahren.«
»Aber ich habe Hunger!«, wandte Toklo ein.
»Wir haben alle Hunger, Kleiner«, erwiderte der alte Bär.
Shesh ging voran, am Strand entlang, bis er zu einem Felsen kam, der in das Wasser ragte. Viele Grizzlys hatten sich um ihn herum versammelt, überwiegend ältere Bären, wie Toklo bemerkte, aber auch einige Mütter mit ihren Jungen. Auf der anderen Seite entdeckte Toklo Ujurak, der sich neugierig umsah. Die Bären machten Shesh respektvoll Platz, bis er, gefolgt von Toklo, zum Fuß des Felsens gelangte.
Ein alter Bär stand oben auf dem Felsen. Er sah abgemagert aus, doch seine Haltung war stolz.
»Das ist Ugruk«, klärte Shesh Toklo auf. »Der Älteste und Weiseste von uns.«
Ugruk hob den Kopf und ließ ein langes, tiefes Stöhnen erklingen, das überall am Ufer zu vernehmen war. Als die Bären um ihn herum verstummt waren, begann er zu sprechen: »Dies wird meine letzte Versammlung zum Längsten Tag sein«, verkündete er, die Stimme so dünn wie Schilfgras. »Morgen bei Sonnenaufgang werde ich der Sonne und den Geistern meinen Dank aussprechen für …«
»Wofür willst du ihnen denn danken?«, unterbrach ihn eine Bärin mit gesträubtem Nackenfell. »Sie müssten uns eigentlich Beute schenken, aber wir haben alle Hunger. Ich dachte, im See gäbe es jede Menge Fische, dabei ist es hier genauso schlimm wie überall anders auch.«
Einige Bären knurrten sie missmutig an, weil sie Ugruk ins Wort gefallen war, doch der brachte die Menge mit erhobener Tatze zum Schweigen. »Was unsere Schwester sagt, ist wahr. An einigen Stellen sind die Flüsse ausgetrocknet, an anderen sind sie über die Ufer getreten und haben das Land viele Bärenlängen weit ertränkt. Es gibt weniger Fisch, weniger Wurzeln und weniger Beeren.«
»Was sollen wir also tun, Ugruk?«, rief eine Stimme von der anderen Seite des Felsens. »Wenn wir nichts zu fressen finden, müssen wir alle sterben!«
Ein Stimmengewirr erhob sich. Fetzen davon drangen an Toklos Ohr:
»Ja, sag uns, was wir tun sollen!«
»Wo finde ich etwas zu fressen für meine Jungen?«
»Die Fische müssen doch irgendwo sein!«
Erneut gebot Ugruk Ruhe. »Wir sind hier, um den Geistern für den Feuerhimmel zu danken, in dem wir eigentlich am meisten Beute machen müssten. Warum sollen wir es ihnen vorwerfen, dass wir zu wenig zu fressen finden? Könnte es nicht auch unsere Schuld sein, weil wir nicht mehr so leben, wie es echte Braunbären sollten? In so schlechten Zeiten erfordert es besonderen Mut und außergewöhnliche Kraft, um zu zeigen, dass Braunbären immer noch stark sind, dass sie es immer noch verdienen, von den Flussgeistern ernährt zu werden.«
»Aber wie sollen wir das machen?«, rief ein Bär.
Ugruk nickte bedächtig. »Eine
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