Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
»Überraschend.«
Kallik spürte Ujuraks Schnauze auf ihren Hinterbeinen und neben ihrem Kopf zuckten Lusas Ohren. Als sie in den Schlaf glitt, während draußen der Schneesturm heulte, dachte sie an die Bärengeister, die über ihnen am Himmel tanzten. Wie die Geister unter ihren Tatzen würden sie über sie wachen.
So war es richtig. Hier auf dem Eis war sie zu Hause.
Die Morgendämmerung war hell und klar. Der Sturm war weitergezogen und hatte glitzernde Schneewehen und einen strahlend blauen Himmel zurückgelassen. Kallik kroch aus der Höhle und atmete tief ein. Es war so schön. Wie kam es, dass es den anderen hier nicht gefiel?
»Ich habe immer noch Hunger«, knurrte Toklo aus dem Innern der selbst gemachten Höhle. »Lusa, wachst du mal bitte auf?«
Als Kallik einen Blick in die Höhle warf, knuffte er die schlafende Schwarzbärin gerade mit der Schnauze. Ujurak stupste sie von der anderen Seite, bis Lusa schließlich blinzelnd erwachte.
»Bei allen dornigen Disteln, ihr seid schlimmer als Ameisen im Pelz«, beschwerte sie sich. »Kann ich denn nicht noch ein bisschen schlafen?« Sie vergrub den Kopf wieder zwischen den Tatzen.
»Nein!« Toklo stieß sie wieder mit der Schnauze an. »Ich habe Hunger! Steh auf, damit wir etwas zu fressen finden können!«
»Na gut, na gut, reg dich nicht auf.« Langsam hievte sich Lusa auf die Tatzen und stolperte ins Freie, gefolgt von Ujurak und Toklo. »Braunbären«, flüsterte sie Kallik kopfschüttelnd zu. »Kannst du mir sagen, warum wir sie unbedingt wiederfinden wollten?«
Kallik warf ihr einen aufmunternden Blick zu. »Mach dir mal um Toklo keine Sorgen. Heute fange ich uns eine Robbe. Ich weiß es!«
Sie nahm die Witterung wieder auf, der sie am Vorabend gefolgt war. Nun, da der Schneesturm vorbei und die Luft klar war, schien sie viel näher zu sein. Die Blasengeister unter ihren Tatzen immer fest im Auge, führte Kallik die anderen durch den Schnee. Sie waren noch gar nicht lange gegangen, als sie entdeckte, wonach sie gesucht hatte: ein Loch im Eis. »Seht mal«, flüsterte sie.
»Was ist das?«, fragte Toklo.
»Ein Robbenloch. Wartet hier.«
Die anderen legten sich flach hin und beobachteten, wie Kallik über das Eis schlich, vorsichtig eine Tatze vor die andere setzend. Kallik wusste noch, dass sich auch ihre Mutter dem Atemloch einer Robbe immer auf diese Weise genähert hatte. Nisa war so sicher gewesen, so zuversichtlich. Kallik hoffte, dass sie in den Augen ihrer Freunde auch so aussah.
Sie ließ sich neben dem Loch nieder, legte die Schnauze auf die Tatzen und konzentrierte sich auf das Wasser. Wenn ein Robbenkopf auftauchte, musste sie schnell sein wie der Blitz. Deshalb durfte sie das Loch nicht aus den Augen lassen und keinen Muskel bewegen, egal, wie lange sie warten musste. Schon das kleinste Zucken würde die Robbe warnen.
Der Wind blies ihr sanft über den Rücken und wirbelte kleine Schneewolken durch die Luft. Kallik starrte in das dunkle Wasser, das unbewegt und tiefschwarz vor ihr lag. Obwohl eine ihrer Tatzen juckte, zwang sie sich zu völliger Reglosigkeit.
Hinter sich spürte sie die erwartungsvollen Blicke der drei anderen Bären. Jedes Mal, wenn sich einer von ihnen bewegte, war es Kallik, als bebte das Eis. Wussten sie denn nicht, wie lange das dauern konnte? Eine Robbe fing man nicht wie einen Hasen oder ein Erdhörnchen. Sie mussten warten, bis sie kam.
»Vielleicht solltest du mal mit der Tatze fühlen«, rief Toklo. Er kratzte laut quietschend mit den Krallen über das Eis.
»Schsch«, fauchte Kallik ihn wütend an. »Du vertreibst sie. Sei still!«
»Das dauert aber ganz schön lange«, grummelte Toklo.
»Hör auf, herumzuzappeln«, zischte Kallik. »Du lenkst mich ab.«
»Oh, tut mir echt leid«, brummte Toklo, gerade laut genug, dass sie es hören konnte. »Ich will dich ja nicht bei deiner faszinierenden Warterei stören. Bestimmt ist es unheimlich schwierig, nur still dazuliegen und gar nichts zu tun.«
»Toklo, schsch.« Kallik war Ujurak dankbar, dass er Toklo zum Schweigen brachte. Sie konnte sich unmöglich konzentrieren, wenn Toklo die ganze Zeit vor sich hin grummelte und dumme Bemerkungen machte.
Sie holte tief Luft und bemühte sich, an nichts anderes zu denken als an das ausgefranste Eisloch vor ihr. Robben … warmes Fleisch zwischen den Zähnen …
»Pfffff«, machte Toklo hinter ihr. Um Kalliks Konzentration war es geschehen. Sie war drauf und dran, sich zu ihm umzudrehen und ihn anzuknurren,
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