Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
Geruch des Blutes, das noch aus seiner Tatze tropfte.
Da geriet Toklo auf einen Flecken glatten Eises, rutschte aus und schlitterte mehrere Bärenlängen weiter, ehe es ihm endlich gelang, sich wieder auf die Beine zu hieven. Als er das Eis unter sich betrachtete, fiel ihm auf, dass es dunkler war als das, auf dem sie bislang gewandert waren. Aus der Tiefe stiegen große Luftblasen auf und wanderten direkt unter ihm am Eis entlang. Fast kam es ihm vor, als könnte er direkt in das dunkle, kalte Meer unter sich blicken.
Wenn das Eis hier dünner war, fand er doch bestimmt noch ein Robbenloch? Wieder rannte er los und mied diesmal die rutschigeren Stellen. Schnee knirschte unter seinen Tatzen. Vor sich sah er einen dunklen Fleck.
Als sich das Eis unter ihm neigte, rutschte Toklo aus. Durch eine zackige Linie direkt vor seinen Tatzen stieg kaltes Meerwasser auf. Das Eis hatte einen Riss! Toklo schlitterte, wild mit den Tatzen schlagend, auf das Wasser zu und schaffte es im letzten Moment, über die Spalte zu springen.
Als er auf der anderen Seite aufkam, wackelte das Eis gefährlich, und Wasser schwappte ihm blubbernd über die Tatzen. Toklo schlug die Krallen ins Eis, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Sein Herz raste. Hier war einfach nichts, wie es sein sollte. Was hatte ein Bär auch auf einer dünnen Eisplatte verloren? Nur sie trennte ihn von dem tiefen, hungrigen Meer darunter und sie konnte jederzeit brechen.
Über die Schulter sah er seine Freunde vorsichtig näher kommen. Lusa setzte bedächtig eine Tatze vor die andere, als müsste sie erst testen, ob das Eis auch hielt. Kallik bewegte sich gleitend über die Oberfläche, fast ohne die Beine anzuheben. Hinter ihnen stand Ujurak und beobachtete Toklo.
»Pass auf, Toklo!«, rief Kallik. Sie klang überhaupt nicht mehr herrschsüchtig, sondern besorgt. »Mit dem Eis stimmt etwas nicht.« Sie senkte den Kopf und betrachtete die Luftblasen. »Es ist … ich verstehe es nicht … aber ich glaube, es ist nicht so dick, wie es sein müsste. Jedenfalls ist es nicht so dick wie da, wo ich geboren wurde.«
»Hör auf Kallik, Toklo!«, rief Ujurak. »Sie weiß, was sie sagt!«
»Oh, Toklo!«, wimmerte Lusa. »Bitte, komm zurück!«
Toklo machte einen Schritt auf sie zu, denn er wollte um die Spalte, durch die immer mehr Wasser quoll, herumgehen. Zu seinem Entsetzen hörte er ein lautes Schnappen und dann drehte sich um ihn herum plötzlich alles. Ehe er kehrtmachen konnte, rutschte das Eis unter seinen Tatzen weg, und er fiel ins Wasser.
Beim Schock der eisigen Kälte entwich sämtliche Luft aus Toklos Brust. Als sich das Meer über seinem Kopf schloss, war er von Dunkelheit und einer unheimlichen Ruhe umgeben. Im Wasser gab es weder Geräusche noch einen Grund, anders als in einem Fluss oder See. Und hier gab es auch keine Braunbärenseelen, die ihm helfen konnten. Oka! Tobi! Doch er hörte nichts als das seltsame Knarren des Eises über ihm.
Verzweifelt paddelte Toklo zurück in Richtung Wasseroberfläche. Nur dort oben konnte er atmen. Aber statt an die frische Luft zu gelangen, stieß er mit dem Kopf gegen eine harte Decke aus festem Eis. Das Wasser zerrte an seinem vollgesogenen Fell und zog ihn weg von dort, wo er ins Wasser gefallen war. Er schlug wild mit den Beinen, konnte aber kaum etwas sehen, weil das Wasser voller Luftblasen und Eissplitter war.
Er saß in der Falle!
Toklo bearbeitete das Eis über seinem Kopf mit den Krallen. Er kratzte, bis sie ihm fast aus den Tatzen fielen, doch das Eis war hart wie Stein. Das helle Tageslicht von oben war eine Qual, versprach es doch die Luft, an die er nicht herankam. Wo war nur das Loch? Das Salzwasser brannte ihm in den Augen, und die wenigen Konturen, die er noch erkennen konnte, waren mit einem verschwommenen roten Saum umgeben. Als seine Brust zu schmerzen begann, spürte er Panik in sich aufsteigen.
Er würde ertrinken, genau wie er es immer gefürchtet hatte. Allerdings nicht in einem Fluss oder einem See, mit den Seelen seiner Mutter und seines Bruders an der Seite, sondern hier, in dieser schrecklichen, eisigen Weite.
Tobi! , rief er, während um ihn herum schon alles schwarz wurde. Oka! Bitte, helft mir …
Aber wie sollten sie ihm helfen? Hier gab es nur Eisbärenseelen und die ließen ihn nicht entkommen. Sie wollten, dass er ertrank.
Nichts konnte ihn jetzt noch retten.
5. KAPITEL
Ujurak
Als Toklo im dunklen Wasser verschwand, spürte Ujurak ein Zittern durch seinen Körper
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