Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
einen Schubs. »Wozu soll das gut sein? Wenn es hier Robben gibt, können wir selber welche jagen.«
»Ohne einen Kampf zu riskieren«, fügte Lusa hinzu.
»Wenn ihr meint«, brummte Toklo missmutig.
»Wir sollten allerdings mit ihr reden«, meinte Ujurak. »Vielleicht kann sie uns nützliche Informationen geben.«
Die Bären traten aus der Rinne heraus und hatten kaum zwei Schritte zurückgelegt, als die Bärin sich umdrehte und sie erblickte. Mit großen, erschrockenen Augen starrte sie ihnen entgegen, dann verzog sie sich, die Beute im Schnee zurücklassend, auf demselben Weg, den sie gekommen war.
»Warte doch! Wir tun dir nichts!«, rief Kallik ihr nach, doch die Eisbärin schien sie nicht zu hören.
»Sie hat nicht mal versucht, ihre Beute zu verteidigen.« Toklo wirkte ein bisschen enttäuscht.
»Vielleicht hat sie keinen Hunger«, überlegte Lusa. »Obwohl sie ziemlich dünn ist. Eigentlich sieht sie aus, als könnte sie eine anständige Mahlzeit gut gebrauchen.«
Toklo tappte auf die Robbe zu, um sie kurz zu beschnüffeln. Auch Kallik und Ujurak versammelten sich um die tote Beute, nur Lusa ging an ihnen vorbei zum Klippenrand. Ihre Klauen gruben sich in den Boden, während sie den schwindelerregenden Blick nach unten zum Strand wagte, wo spitze Felsen aus dem halb gefrorenen Meer ragten. Vorsichtig schob sie sich wieder zurück.
»Wie ist die Eisbärin da bloß runtergekommen?«, fragte sie sich.
»Es ist Beute!«, führte Toklo gerade aus, als Lusa zu den Freunden trat. »Wir können sie nicht einfach hier liegen lassen.«
»Aber wir sind doch noch satt«, hielt Kallik ihm entgegen. »Und ich habe keine Lust, das Ding über die ganze Insel zu schleppen. Ujurak, was meinst du?«
»Das Tragen wäre nicht so schwer, wenn wir uns abwechseln würden«, gab der kleinere Braunbär zu bedenken.
»Na ja, vielleicht …« Kallik schien nicht sehr überzeugt.
Lusa beugte sich hinunter, um an der Robbe zu schnüffeln und zu testen, ob sie womöglich schon wieder hungrig genug war, einen Happen zu fressen. Ein seltsamer, beißender Geruch ging von dem Tier aus, wie eine Mischung aus Feuerbiestern und verfaulten Früchten.
»Igitt!«, rief sie. »Das fresse ich nicht. Das ist ja eklig!«
Alle ihre Instinkte sagten ihr, dass man die Robbe nicht fressen sollte, aber die anderen beachteten sie überhaupt nicht und beratschlagten immer noch, ob sie die Last auf sich nehmen wollten oder nicht.
»Habt ihr’s gerochen?«, unterbrach Lusa sie. »Wir sollten das wirklich nicht fressen. Irgendwas stimmt nicht damit.«
Die Freunde verstummten und starrten sie an.
»Lusa, es ist Beute «, antwortete Toklo in einem Ton, als müsse er einem kleinen, dummen Jungtier etwas erklären.
Kallik musste lachen. »Du wirst dich schon noch darüber freuen, wenn dein Bauch erst wieder leer ist.«
»Nein, überhaupt nicht«, erwiderte Lusa voller Wut, weil die anderen sich über sie lustig machten. Selbst Ujuraks Augen funkelten amüsiert. »Es stinkt. Kein Bär sollte das fressen.«
»Also, ich werde es fressen«, verkündete Toklo. »Dann riecht es eben ein bisschen merkwürdig. Na und?«
Lusa sah ihn entsetzt an, als er Anstalten machte, sich die Robbe zurechtzulegen. »Nein!«, brüllte sie, setzte über das tote Tier hinweg und schlug Toklo vor die Brust.
Toklo war von ihrem Angriff so überrascht, dass er zurückwich und die Robbe fallen ließ. »Hast du Hummeln im Hirn, oder was?«, stieß er hervor.
Lusa machte sich nicht die Mühe, ihm zu antworten. Stattdessen gab sie der Robbe einen kräftigen Stoß, sodass sie über den Klippenrand rutschte und unten auf den Felsen aufschlug. Mit einem Seufzer der Erleichterung blickte sie ihr hinterher.
»Lusa, was machst du denn?«, fuhr Kallik sie wütend an. »Das ist Verschwendung von guter Nahrung.«
»Sie ist eben nicht gut, das ist der springende Punkt.« Lusa wusste, dass sie sich für ihr Verhalten rechtfertigen musste. »Wenn wir diese Robbe fressen, werden wir krank!«
»Woher willst du das wissen?«, knurrte Toklo.
Lusa suchte angestrengt nach einer Begründung, die ihre Freunde verstehen würden. Wie können sie diese Robbe riechen und glauben, dass sie fressbar ist? »Ich weiß es einfach, okay?«, erwiderte sie mit Nachdruck. »Und wir können uns ohne Weiteres später was anderes fangen.«
»Ohne Weiteres?«, schnaubte Toklo verächtlich. »Es leben haufenweise Eisbären auf dieser Insel, oder ist dir das noch nicht aufgefallen? Das heißt aber, dass
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