Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
ihren Freunden.
Als sie den Strand erreichte, krochen die drei anderen Bären gerade aus der Höhle.
»Da bist du ja, Kallik!«, rief Toklo ihr zu. »Wir wussten nicht, wo du bist. Du solltest nicht –« Er brach ab und starrte sie an. »Was hast du da?«
»Ich bin zurückgegangen«, erklärte Kallik mit fester Stimme. Sie wollte sich nicht entschuldigen für das, was sie getan hatte. »Die Bärenmutter ist tot. Ich konnte das Junge nicht auch noch sterben lassen.«
»Und wie willst du es am Leben halten?«, fragte Toklo bissig. »Wir haben keine Milch.«
Kallik sah dem Braunbären fest in die Augen. »Das weiß ich nicht, aber ich werde es versuchen.«
»Dir hat es ja wohl ins Gehirn geschneit!« Obwohl Toklos Stimme wütend war, lag in seinen Augen ein eher gequälter Ausdruck, als seien schreckliche Erinnerungen in ihm erwacht. Nach dem ersten, entsetzten Blick vermied er es, das Junge noch einmal anzusehen.
Die Zähne gefletscht, machte Kallik einen Schritt auf ihn zu. Sie war bereit, sich für das Junge, wenn nötig, auf einen Kampf einzulassen.
Einen Moment lang hielt Toklo dem Blick der Eisbärin stand. Dann sah Kallik, wie der gequälte Ausdruck aus seinen Augen schwand und so etwas wie Respekt an seine Stelle trat.
»Mach, was du willst«, murmelte er und wandte sich ab, um mit Ujurak zu reden.
Lusa trottete neugierig auf Kallik zu. »Kann ich mal sehen?« Als Kallik nickte, reckte sie den Hals und beschnupperte das Junge behutsam. »Oh, Kallik, er ist noch so klein! Hast du dir schon einen Namen für ihn überlegt?«
»Ja«, erwiderte Kallik. »Ich werde ihn Kissimi nennen. Das bedeutet ›allein‹.«
»Aber er ist ja nicht mehr allein«, wandte Lusa ein. »Jetzt hat er doch dich.«
Ja, dachte Kallik, und ein tiefes Gefühl der Befriedigung breitete sich in ihr aus. Ja, jetzt hat er mich.
6. KAPITEL
Toklo
Toklo hockte im Schutz eines Dornbusches und beobachtete Lusa und Kallik, die es wieder einmal ganz wichtig hatten mit dem Eisbärenbaby. Zwei Tage waren vergangen, seit Kallik es gerettet hatte. Gestern hatte ein heftiger Schneesturm sie gezwungen, sich von der Küste zurückzuziehen und Schutz hinter den nächstgelegenen Hügeln zu suchen. Ujurak hatte einen Schneehasen gefangen, und jetzt war Kallik dabei, die weichsten Teile des Fleisches durchzukauen, damit das Baby sie fressen konnte.
Toklos Nackenfell sträubte sich, als er das dürre kleine Wesen betrachtete. »Das ist reine Verschwendung«, sagte er zu Ujurak, der neben ihm saß und eben seine Mahlzeit beendete. »Und das Junge gehört noch nicht mal zu uns.«
Ujurak sagte nichts, stieß nur seine Nase gegen Toklos Bauch.
»Dieses Junge ist doch nicht Teil unserer Bestimmung, oder?«, fragte Toklo.
Ujurak schien unschlüssig. »Wir können es jedenfalls nicht hier zurücklassen.«
»Nein, können wir nicht«, bestätigte Toklo mürrisch. »Weil Kallik uns nicht lässt.« Aber das Junge bedeutet eine Schwächung, fügte er im Stillen hinzu. Und Schwächungen können wir uns nicht leisten. Das Überleben ist so schon schwer genug.
»He, Toklo!« Lusa deutete mit der Schnauze an, dass er zu ihnen kommen solle. »Kissimi hat die Augen geöffnet. Komm und sieh es dir an!«
»Nein, danke«, knurrte Toklo und erhob sich. Hat er also die Augen aufgemacht. Was für eine Sensation. »Ich versuche mal, ob ich noch mehr zu fressen finde.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er das Dorngebüsch und schlug den Weg durchs Tal ein. Seine Sinne waren auf den Geruch oder den Anblick von Hasen ausgerichtet. In einiger Entfernung sah er einen aufgeworfenen Schneehaufen und überlegte, wie dieser entstanden sein mochte.
Moschusochsen, dachte er, denn er hatte gesehen, wie ihre scharfen Hufe Schnee und Eis wegscharrten. Sein Magen begann zu knurren und er hätte gerne ihre Witterung aufgenommen.
Aber alleine schaff ich’s nie, einen zu erlegen, dachte er bedauernd.
Toklo hielt immer noch nach Hasen Ausschau, als er plötzlich ein Knurren vernahm. Vor ihm stand ein ausgewachsenes Eisbärmännchen, das ihm den Weg versperrte. Es nahm eine drohende Haltung ein und das unfreundliche Funkeln in seinen Augen gefiel Toklo gar nicht.
»Dann ist es also wahr«, brummte der Eisbär. »Es sind Braunbären hier unterwegs.«
Toklo machte sich auf einen Angriff gefasst, aber vorerst rührte der Eisbär sich nicht von der Stelle.
»Mein Bruder Yakone hat euch gesehen«, fuhr der Eisbär fort. »Wo sind die anderen?«
»Da, wo du sie nicht
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