Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
sah Kallik, wie Ujuraks dunkler Körper sich um Kissimi herumschlängelte. Das Junge schlug mit den Pfoten aus, als fürchte es sich und wolle den Feind abwehren. Ujurak jedoch schob ihn sanft, aber entschieden zurück zum Loch, wo Kallik schon wartete und mit den Zähnen sein Nackenfell packte, um ihn herauszuziehen.
»Was hatte ich dir gesagt?«, knurrte sie, als Kissimi Wasser spuckend auf dem Eis lag. »Ich sagte, du sollst am Fluss bleiben. Du hättest ertrinken können!«
»He, reg dich nicht so auf.« Lusa schmiegte sich beruhigend an Kalliks Seite. »Er ist doch noch so klein. Er versteht nicht, was Gefahr bedeutet.«
»Dann wird es Zeit, dass er es lernt!«, fauchte Kallik. Sie hatte das Gefühl, das wilde Pochen ihres Herzens würde ihr die Brust zersprengen. »Oh, mein Kleiner, tu das nie wieder!« Sie beugte sich zu ihm und begann, das Meerwasser aus seinem Fell zu lecken.
»Er hat einen riesigen Schreck bekommen«, fuhr Lusa fort. »Nicht genug damit, dass er unter dem Eis eingesperrt war. So wie er um sich geschlagen hat, muss er wohl auch geglaubt haben, dass die Ujurak-Robbe ihn fressen wollte! Ich bin sicher, das wird ihm eine Lehre sein.«
»Wollen wir’s hoffen«, brummte Kallik.
Ujurak hievte sich aus dem Loch, während er sich von einer Robbe in einen Braunbären zurückverwandelte. Kallik blickte auf und sah, dass ein riesiger Fisch hilflos in seinem Maul zappelte.
»Toller Fang!«, lobte Toklo mit hungrig funkelnden Augen.
Ujurak warf den Fisch aufs Eis und tötete ihn mit einem Biss hinter dem Kopf. »Da«, sagte er. »Er riecht einwandfrei. Beweis dafür, dass das Wasser hier sauber ist.«
Alle Bären versammelten sich um die Beute. Kallik spürte, wie sie ruhiger wurde, als sie ihren ersten Bissen nahm und den köstlichen Geschmack auf sich wirken ließ. »Hier, Kissimi.« Sie riss einen kleinen Fleischfetzen ab und kaute ihn gut durch, bevor sie ihn dem Jungen vorlegte. »Probier mal dein erstes Stück Nahrung aus dem Meer.«
Sie sah dem winzigen Bärenjungen zu, wie es zunächst vorsichtig an dem Fischbrei roch, ihn dann aber mit begeistertem Blick verschlang und sich sofort nach Nachschub umsah. Kallik hatte das Gefühl, als schnüre ihr etwas die Kehle zu. Nie hätte sie geglaubt, dass es so schmerzvoll sein konnte, jemanden von ganzem Herzen zu lieben.
»Danke, Ujurak«, sagte sie. »Ich werde dir nie vergessen, dass du Kissimi gerettet hast.«
Ujurak neigte den Kopf. »Gern geschehen.«
Kallik sah ihn blinzelnd an, wollte noch mehr sagen, wurde dann aber abgelenkt, als Kissimi ihre Tatze ungeduldig mit der Nase anstieß.
»Okay, okay, gleich gibt’s mehr Fisch«, beruhigte ihn Kallik. »Bald wirst du dir selber welchen fangen können.«
Kissimi warf einen Blick auf das Atemloch, fuhr schaudernd zusammen und brummte ängstlich.
Lusa schnaubte belustigt. »Aber nicht, wenn man dafür ins Wasser muss, meint er!«
Als der Fisch restlos verzehrt war, brachen die Bären auf, um zu ihrer Höhle zurückzukehren. Noch während sie die Anhöhe erklommen, fing es an zu schneien. Rasch wurde der Schneefall stärker, bis der Blick nach vorn wie von einer wirbelnden weißen Wand verstellt schien.
»Das hat uns gerade noch gefehlt«, brummte Toklo missmutig.
Der Wind nahm zu, peitschte ihnen ins Gesicht, und schließlich mussten sie einem richtigen Schneesturm standhalten. Kallik hörte Kissimi unglücklich wimmern und dachte, wie müde und durchgefroren er sein musste. Sie spürte, wie sich seine winzigen Pfoten an ihr Fell klammerten.
»Nicht loslassen, mein Kleiner«, ermahnte sie ihn. »In diesem Schneetreiben würde ich dich nie wiederfinden.«
Lusa hatte die Führung übernommen, Toklo folgte dicht dahinter, dann kamen Kallik und Ujurak.
Auf einmal schrie Lusa erschrocken auf und war plötzlich verschwunden. Toklo blieb so abrupt stehen, dass Kallik beinahe in ihn hineingelaufen wäre.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Hier beginnt die Schlucht«, erklärte Toklo. Seine Stimme klang, als würde er nur mit Mühe einen Anfall von Panik unterdrücken. »Lusa ist über den Rand getreten.«
Kalliks Magen krampfte sich vor Schreck zusammen. »Ist ihr was passiert? Lusa!«
»Der Schnee ist dicht genug«, meinte Ujurak. »Da müsste sie weich gefallen sein.« Kallik hatte den Verdacht, dass er sich zuversichtlicher gab, als er tatsächlich war.
»Wahrscheinlich werde ich sie wieder mal aus irgendeiner Verwehung ziehen müssen«, brummte Toklo vor sich hin, während er den
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