Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
schlug mit den Hintertatzen aus, um eine Ladung Schnee auf Toklo abzufeuern. »Soll ich mal zeigen, wie ich dir richtig auf die Nerven gehen kann?« Ihre Augen funkelten belustigt. Dann folgte sie Ujurak.
Unterdessen saß Kissimi noch immer am Fluss und beobachtete fasziniert die wechselnden Muster, die das fließende Wasser unter dem Eis erzeugte.
»Bleib du hier und spiel ein bisschen, mein Kleiner«, sagte Kallik zu ihm. »Aber lauf nicht weg. Ich komme bald zurück und hole dich.«
Kissimi nickte, und Kallik wandte sich zum Strand, wo die anderen schon die Bucht genauer in Augenschein nahmen. Schnuppernd blieb sie stehen. Das Eis roch sauber. Es gab hier keine auslaufenden Rohre, keinen ekligen schwarzen Schlamm, der das Meer mit seinem Gestank verpestete.
Toklo kam auf sie zu. »Das scheint mir ein guter Ort für Robben zu sein«, meinte er.
»Ja, sieht so aus«, erwiderte Kallik. »Aber ganz sicher können wir uns erst sein, wenn wir unter dem Eis nachgeschaut haben. Denn dort leben die Robben und Fische. Wir müssen uns davon überzeugen, dass sich kein Gift im Wasser befindet.«
Lusa starrte aufs Eis hinaus, die Augen weit aufgerissen vor Bestürzung. »Aber wie sollen wir denn das machen? «
»Ich werde nach einem Atemloch suchen.« Kallik schickte sich an, das Eis zu betreten.
»Aber würde das nicht bedeuten, dass hier schon andere Robben leben?«, fragte Lusa. »Vielleicht hätten die was dagegen, wenn die Robben von der vergifteten Bucht auch hierherkämen.«
Kallik blickte zu ihr zurück. »Kann sein. Aber eine bessere Idee habe ich nicht.«
Sie streifte über das Eis, fand jedoch zunächst nicht, wonach sie suchte. Sie war kurz davor, ihr Vorhaben aufzugeben, da fiel ihr doch noch in einiger Entfernung ein dunkler Fleck ins Auge. Beim Näherkommen erwies sich dieser als ein Eisloch mit gezackten Kanten, das im Begriff war, wieder zuzufrieren.
Sieht so aus, als seien hier Robben gewesen, aber schon vor einer ganzen Weile. Wenn sie noch immer hier wären, würde es mehr Löcher geben als nur dieses eine.
Nachdem sie tief Luft geholt hatte, streckte Kallik ihren Kopf in das Loch. Der Schock der Eiseskälte durchfuhr ihren ganzen Körper und Wellen der Energie strömten bis in ihre Klauenspitzen hinein.
Die Augen öffnend, sah sie, dass das Wasser zwar dunkel, aber nicht verschmutzt war. Mit einem zufriedenen Brummen zog sie den Kopf zurück und schnappte erst einmal nach Luft. Dann leckte sie mit der Zunge gründlich ihr Maul ab, doch alles, was sie schmeckte, war Salz und die raue Schärfe des Meeres.
»Na?« Toklo kam auf sie zu, dicht gefolgt von Lusa und Ujurak. »Was hast du herausgefunden?«
»Es ist sauber«, verkündete Kallik. »Das könnte hier wirklich der Ort sein, nach dem wir suchen.«
»Dann sollten wir sofort losgehen und den Eisbären davon erzählen –«, setzte Lusa an.
Ein lautes Quieken vom Strand unterbrach sie. »K’lik! K’lik!« Kallik wandte den Kopf und sah, dass Kissimi hüpfend und schlitternd auf sie zukam.
Ein warmes Gefühl der Freude durchströmte Kallik. Er weiß, wie ich heiße!
Doch Kalliks Freude verwandelte sich sogleich in Entsetzen. »Kissimi, pass auf!«, rief sie und stürzte in seine Richtung.
Aber es war schon zu spät. Bevor einer der Bären eingreifen konnte, plumpste Kissimi mitten in das Atemloch hinein. Er schrie erschrocken auf, dann versank sein Kopf im Wasser.
»Nein!«, brüllte Kallik.
Im ersten Moment, als ihr Herz beinahe stehenblieb, dachte sie, das kleine Junge sei schon vollständig untergegangen. Dann jedoch entdeckte sie ihn unter dem Eis, wo er mit seinen winzigen Tatzen gegen die undurchdringliche Decke über sich stieß. Seine weit aufgerissenen Augen waren schreckerfüllt.
Kallik kauerte sich neben das Loch und langte mit einer Tatze ins Wasser, aber sie konnte Kissimi nicht richtig zu fassen bekommen. Stattdessen schob sie ihn sogar noch ein Stückchen weiter außer Reichweite.
Neben ihr richtete sich Toklo auf. »Ich schlage das Eis durch«, knurrte er und hob die Vordertatzen.
»Nein!« Kallik warf sich ihm entgegen. »Nachher verletzt du ihn noch!«
»Ich hole ihn raus«, ließ sich Ujurak mit ruhiger Stimme vernehmen. »Wartet hier.«
Er stellte sich neben das Loch. Mit atemlosem Bangen sah Kallik zu, wie sein Körper schrumpfte und sein brauner Pelz verschwand, um von einer glänzenden graubraunen Haut ersetzt zu werden. In Gestalt einer geschmeidigen, schlanken Robbe tauchte er dann in das Loch.
Bald
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