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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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Herzallerliebster dieses Wort wiederholt, Ergriffenheit vermuten, aber ich weiß es besser. Es ist der pure Ekel.
    »Ja, Leberkäse«, bestätigt Renate und erklärt sich bereit, falls gewünscht, einiges über Herstellungsprozess und Inhaltsstoffe zu erzählen. »Die Entstehungsgeschichte des Leberkäses. Da han i vor Jahren amol a Referat mache müsse, als i im Hausfrauebund war«, sagt sie lachend. »I halt’s für euch gern nomol, aber bloß, wenn’s euch wirklich interessiert.«
    »Eher weniger«, murmle ich mit schwacher Stimme, während Wolfgang nur die Stirn runzelt und nach dem Brotkorb greift. Die Rettung! Das scheint auch Rudolf so zu sehen, denn gierig angelt er sich die größte Brezel und beißt krachend hinein.
    »Gutes Gebiss«, stellt mein Bruder anerkennend fest. Renate schaut etwas irritiert, fährt dann aber fort: »Früher war es ja leider so, dass wir Frauen stundenlang in der Küche stehe musstet. Aber gottlob hat sich einiges getan in der Zwischenzeit. Nachdem ich entdeckt hab, dass nicht nur der Leberkäs, sondern auch der Kartoffelsalat in der Metzgerei Seierle grandios ist, wär es direkt a Sünde, den selber zu mache.« Sie steht auf. »Aber jetzt hol i endlich den Leberkäs aus dem Backofe.«
    Ich renne hinter ihr her in die Küche. Das ist die einzige Möglichkeit, Rudolfs entsetztem Blick zu entkommen.
    »Bisch du wirklich ganz sicher, dass du überhaupt nix von dem Leberkäs willsch?« Renate steht vor Rudolf (ich finde, dass sie in diesem Moment trotz ihres rosafarbenen Kostüms etwas Bedrohliches hat), aber er bleibt dabei. In den letzten Minuten hat er sich von der Behauptung, er leide unter einer seltenen Krankheit, die ihm den Genuss von Leberkäse verbiete – »leider, leider« –, zu dem Geständnis durchgerungen, es sei sein Glaube, der es ihm unmöglich mache.
    »Bisch du womöglich Moslem?«, ruft Renate. »It, dass es uns störe tät, aber wisse möcht ma’s scho gern.«
    »Renate, also bitte.« Entnervter Blick von Wolfgang, der sich die dritte Portion Leberkäs mit Kartoffelsalat nimmt. Papa schaut interessiert auf seine Schwiegertochter, die sich achselzuckend wieder setzt. Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe den Eindruck, dass er sich ein Grinsen verkneifen muss.
    »Nein, Moslem bin ich eigentlich nicht«, sagt Rudolf mit leisem Bedauern in der Stimme. Er mustert traurig den inzwischen leeren Brotkorb. »Aber trotzdem ... ehm ... also ...« Ein heftiges Klopfen an der Terrassentür unterbricht ihn.
    »Ach Gottle, die Moni wollt doch des Windbeutelrezept hole! Da han i gar nimme dradenkt.« Renate ist aufgesprungen, eilt zur Terrassentür, reißt sie auf. »Ha Moni, komm rei!«
    Monika! Aus meiner alten Klasse! Dieses Miststück!
    Klirrend fällt meine Gabel auf den Teller, aber das geht in dem Bohei, das Moni und Renate veranstalten, völlig unter. Die beiden fallen einander um den Hals, kreischend vor Begeisterung, als hätten sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Mir dagegen dreht sich der Magen um. Das liegt nun allerdings nicht an einem erheblichen Zuviel an schwäbischen Spezialitäten, sondern ganz allein an Moni, meiner Nachfolgerin bei Uli! Bei ihr hat seine Mutter garantiert keine Marmeladengläser geworfen, wenn sie die beiden im Bett erwischt hat, sondern hundertprozentig von Hochzeitsglocken geträumt. Weil Moni doch immer so nett war, so adrett, so hilfsbereit, so ...
    »Wahnsinn! ... Doro! ... I glaub, i seh it recht!« Sie reißt ihre wasserblauen Kulleraugen auf, kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.
    »Ja, Wahnsinn! Mensch, Moni!«, rufe ich. Was Besseres fällt mir wirklich nicht ein, aber das ist auch egal, denn sie stößt immer noch spitze Begeisterungsschreie aus, die alles übertönen.
    »Also dei Alter sieht ma dir fei au it a«, stellt sie schließlich fest und zieht mich dabei ans Fenster, um mich im Licht noch genauer zu mustern. »Und des bissle Übergewicht isch beim Älterwerde ja au it schlecht. Wege der Falte und so.«
    Bevor mir dazu auch noch irgendetwas Passendes einfällt, ruft Renate begeistert aus: »Ist des it schön, wenn sich zwei alte Freundinnen wieder finden?«
    Moni wirft mit Schwung ihre langen goldblonden Haare zurück (waren sie früher nicht einmal straßenköterbraun?) und droht Renate lachend mit dem Finger. »Was hoißt hier alt? We feel younger than ever, stimmt’s, Doro?« Mit ein paar Tanzschritten demonstriert sie, wie jung sie sich fühlt, wirbelt dann um den Esstisch, bis sie außer Atem auf den

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