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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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verdammt tolle Lippenstift, den ich erst kürzlich gekauft habe?) und deshalb auch nicht in der Lage, auf diese komplexe Frage zu reagieren.
    »Na denn«, meint Uli. Es klingt unschlüssig, aber weil ich immer noch keine Anstalten mache, etwas zu erwidern, meint er schließlich: »Ich glaub, ich müsst dann mal los.«
    Er nickt uns zu und will schon gehen, da fällt Rudolf ein, er könne doch mit uns mitfahren. Im Auto meines Bruders sei sicherlich noch Platz.
    »Danke, aber ich bin mit dem Fahrrad da. Tschüss.«
    Diese Antwort versöhnt mich, und so murmle ich ebenfalls: »Tschüss.« Dann atme ich erst einmal sehr tief durch und wende mich nun der nicht ganz unwesentlichen Frage zu: Wo steckt mein Bruder? Auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof jedenfalls nicht; dort herrscht gähnende Leere, nicht einmal ein Taxi ist zu sehen.
    »Ruf an«, schlägt Rudolf mit inzwischen matter Stimme vor. Er steht vor dem Bahnhofskiosk (wegen Krankheit geschlossen), betrachtet mit wehmütigem Blick die vielversprechenden kulinarischen Verheißungen – allerdings nur aus Plastik und nur in der Auslage: Brötchen / Hotdogs / Pizza / Coffee to go. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, seinen Magen knurren zu hören.
    »Du kannst dich schon mal freuen«, sage ich und fahre ihm liebevoll über den Nacken, »meine Schwägerin kocht nämlich hervorragend. Sie war auf einer Hotelfachschule in der Schweiz, zwar nur ein halbes Jahr, aber da hat sie trotzdem kochen gelernt. Sei sicher, es wird ein ausgezeichnetes Mittagessen geben. Mit allen Schikanen, glaub mir.« Rudolfs gequälter Blick lässt mich ahnen, wie es in seinem Inneren aussieht. »Wenn du willst, kannst du noch den letzten Leberkäswecken kriegen«, füge ich hinzu und halte ihm das vor die Nase, was vor einiger Zeit noch sehr lecker aussah.
    »Brrr«, macht Rudolf. Ausnahmsweise hat er recht. Immerhin hat er noch genügend Energie, sich darüber auszulassen, dass vermutlich nur hartgesottene Einheimische dieses Nahrungsmittel zu sich nehmen könnten, er jedenfalls nicht, eher würde er des Hungers sterben, bevor er ... Weiter kommt er nicht, denn ein silbergrauer Mercedes älteren Baujahres dieselt heran, und ich kann mein Handy wieder zurückstecken.
    »Na bitte«, sage ich zufrieden, »auf meinen Bruder ist eben Verlass. Ich hab’s ja gewusst.« Allerdings wusste ich nicht, dass Wolfgang sich in den letzten Jahren zu einem leidenschaftlichen Heimwerker entwickelt hat.
    »Mal schauen, wo man hier noch Platz schaffen könnte für euer Gepäck«, meint er und wuchtet einen Karton Fliesen im Kofferraum zur Seite.
    Rudolf wirft mir einen fragenden Blick zu, und ich nicke beruhigend. Ich habe ihm schon gestern Abend erklärt, dass von Wolfgang auf keinen Fall eine überschwängliche Begrüßung zu erwarten sei (diesen Part übernimmt immer meine Schwägerin Renate), sondern dass er sich wahrscheinlich eher so verhalten wird, als habe man sich gestern zum letzten Mal gesehen.
    Immerhin stellt er nun fest: »Wenn ich geahnt hätte, dass ihr so viel Zeug dabeihabt, wäre ich natürlich vorher nicht in den Baumarkt gefahren.« Er will die Dachterrasse neu machen, erfahren wir, die letzte Renovierung sei der pure Pfusch gewesen.
    »Kenne ich! Pfusch!« So wie Rudolf das jetzt ausstößt, ist es ein anderes Wort für Pest, Cholera oder Rinderwahnsinn. »Über meine Erfahrungen diesbezüglich könnte ich ein Buch schreiben, am besten gleich einen ganzen Fortsetzungsroman. Letzten Monat Wasserrohrbruch in meiner Galerie. Ich ruf die zuständige Firma an, angeblich kommt der Meister sogar persönlich ...«
    Als wir endlich zu Hause ankommen, ist Wolfgang restlos über den Sanitärbetrieb Jockels aufgeklärt (Berlin-Weißensee, absolut unfähig, einen simplen Wasserrohrbruch zu beheben). »Von dem lässt du also am besten die Finger«, schließt Rudolf seinen Vortrag. Mein Bruder nickt mitfühlend, das macht er übrigens schon die ganze Zeit.
    »Ja, ja, so ist das, ja, ja«, sagt er philosophisch, während er vor der Garage hält, unter den wachsamen Augen von Frau Stützle, unserer Nachbarin, die auf dem Gehweg steht – den Kehrbesen in der Hand – und sehr interessiert herüberschaut.
    »Ja, ja«, sagt Wolfgang noch einmal, nachdem er den Motor ausgeschaltet hat, und wendet sich dann unvermittelt an Rudolf: »Nach dem Essen muss ich noch mehr Fliesen holen. So ein Sonderangebot gibt’s nur einmal, wirklich sensationell günstig. Das kann man sich nicht entgehen lassen. Rudolf, da

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