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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Zimmermann
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einzigen freien Platz neben Rudolf sinkt. Meinen Platz! ... Hallo? Spielen wir jetzt die Reise nach Jerusalem?, denke ich erbost.
    Renate wirft mir einen warnenden Blick zu, flüstert: »Sei ruhig, denk an Papa«, und schiebt mir den Klavierhocker hin.
    Einen Moment lang herrscht verlegenes Schweigen, bis Moni laut auflacht. »Des tut mir jetzt fast loid, dass i euch so beim Mittagesse überfalle han. Aber erschtens hätt i gern des Windbeutelrezept von der Renate und dann muss i oifach gspürt han, dass die Doro in der Nähe isch.« Sie beugt sich vor und von der Seite sehe ich, dass mein Bruder nur unter erheblicher Anstrengung seine Augen von ihrem Dekolleté losreißen kann.
    Ein kurzer Blick von mir zu Rudolf, der mit bekümmerter Miene einen allerletzten Brezelrest aus dem Brotkorb fischt, und ich atme erleichtert auf. Mein Herzallerliebster scheint nur sehr mäßig beeindruckt zu sein.
    Renate kommt mit einem frischen Gedeck aus der Küche und kriegt sich immer noch nicht ein vor Begeisterung über Monis Besuch. »Sie kennet sich gar it vorstelle, was für dicke Freundinnen die beide waret«, erklärt sie Rudolf, während sie Kartoffelsalat und Leberkäs auf Monis Teller lädt.
    Moni nickt. »Doro, woisch du noch, wie mir nachmittags immer an den Steegersee gfahre sind? Mein Bikini war
die
Sensation, weil des Oberteil so mini war.« Mit beiden Händen umfasst sie ihren Busen und stellt dabei kichernd fest, dass sich ihre Oberweite seit damals mindestens verdoppelt habe. Wolfgang rutscht auf seinem Stuhl hin und her. Täusche ich mich, oder sind seine Pupillen tatsächlich geweitet wie bei einem Junkie? Renate müsste besser auf ihren Mann aufpassen, denke ich, und einen Moment lang bedauere ich sie fast. Mein Mitleid könnte ich mir allerdings sparen, denn sie hat im Moment ganz andere Sorgen.
    »Moni, schmeckt’s dir überhaupt?«, erkundigt sie sich besorgt. »I bin mir it ganz sicher, ob der Kartoffelsalat it doch a bitzle fad isch ...«
    »Supper«, versichert Moni. »Renate, der Kartoffelsalat isch dermaße was von supper. Du kriegsch den immer so na, dass ma sich grad neilege kennt. Also, gegen dr deine ka dr kaufte so was von abschtinke. Renate, wie lang sag i dir’s eigentlich scho? Du sottesch endlich amol bei diesem Promidinner mitmache.«
    Renate nickt zufrieden, und ich beschließe, lieber meinen Mund zu halten. Während Moni Kartoffelsalat und Leberkäs in sich hineinschaufelt und nochmals betont, dass wirklich niemand an das kulinarische Niveau von Renate herankomme, kann ich meine ehemalige Rivalin einem gnadenlosen Scan unterziehen. Was leider schlagartig zu einer kurzen depressiven Anwandlung bei mir führt. Wieder einmal muss ich erkennen: Das Leben ist einfach ungerecht. Denn an Moni scheint alles perfekt zu sein. Gut, über die wallende Lockenpracht könnte man diskutieren, in Berlin würde kein Mensch mehr so rumlaufen, die achtziger Jahre sind eher out, aber ansonsten keine Falte, nicht mal winzige Lachfältchen um die Augen – und was für eine Gemeinheit –, unter dem hautengen Shirt zeichnet sich nicht das kleinste Fettröllchen ab, nicht einmal eine Andeutung davon. Das kann alles nicht echt sein, niemals. Ich werde nachher sofort Renate ausquetschen. Garantiert weiß sie etwas davon, falls Moni in dieser sagenhaften Schönheitsklinik am Bodensee war.
    Ich bedaure, dass ich wieder mal viel zu viel gegessen habe, ziehe meinen Bauch ein, versuche, nur nach innen zu seufzen, aber Rudolf scheint es gehört oder zumindest gefühlt zu haben. Er zwinkert mir zu, macht eine Kopfbewegung zur Tür hin, und ich lächle zufrieden. Zwar ist mein Fuß inzwischen ziemlich lahm, denn die letzten Minuten hatten es in sich. Aber die Fußarbeit unter dem Tisch hat sich gelohnt. Rudolf kann es nämlich kaum abwarten, mit mir ins Bett zu kommen.
    Mein Herzallerliebster räuspert sich. »Wir sagen dann mal danke für die nette Bewirtung. Aber jetzt würden wir uns gern für eine halbe Stunde hinlegen, die Fahrt war doch anstrengend. Die Bahn ... das kennt man ja. Wir sind nämlich seit halb vier auf den Beinen und dementsprechend müde.«
    Patsch! Schon klebt Monis Hand auf seinem Unterarm. »Sie wellet doch etzt it abhaue? Aber Herr Dokter Dworrschatz, etzt, wo i Sie was Wichtiges froge will.«
    Sie wirft ihm einen Augenaufschlag zu, mit dem sie einen Eisberg zum Kalben bringen könnte, und zieht ihr Oberteil zurecht. Ob Rudolf diesem geballten Ganzkörpereinsatz widerstehen kann? Ich halte die Luft

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