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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Dann gähnte er.
    Ich hatte ihn noch nie gähnen sehen. Zeigte sein Gähnen, dass er entspannt war, genau wie die lockeren Schultern? Am Tag nach unserer ersten Begegnung hatte Matthew mir erzählt, dass er sich gern in seiner Umgebung auskannte. Hier kannte er jeden Zentimeter  – jeder Geruch war ihm ebenso vertraut wie jedes Tier, das hier umherstreifte. Und dann war da noch die Beziehung zu seiner Mutter und Marthe. Diese eigenwillige Kombination von Vampiren bildete eine Familie, die mich Matthews wegen aufgenommen hatte.
    Ich widmete mich wieder Darwin. Aber das Bad, das wärmende Feuer und das leise Klacken der Computertasten im Hintergrund lullten mich ein. Als ich wieder aufwachte, lag eine Decke über mir und Vom Ursprung der Arten neben mir auf dem Boden, achtsam geschlossen und mit einem Zettel als Lesezeichen versehen.
    Ich wurde rot.
    Er hatte mich beim Schnüffeln erwischt.
    »Guten Abend«, sagte Matthew vom Sofa gegenüber. Er schob einen Zettel in das Buch, das er gerade las, und legte es auf seinem Knie ab. »Kann ich dich vielleicht für ein Glas Wein begeistern?«
    Wein klang sehr, sehr gut. »Auf jeden Fall.«
    Matthew trat an ein kleines Tischchen neben der Treppe, das offenbar aus dem siebzehnten Jahrhundert stammte. Darauf stand eine Flasche ohne Etikett, und der Korken lag bereits daneben. Er schenkte zwei Gläser ein und reichte mir eines, bevor er sich wieder hinsetzte. Ich schnupperte und wusste schon, was er gleich fragen würde.
    »Himbeeren und Felsen.«
    »Für eine Hexe bist du wirklich gut.« Matthew nickte anerkennend.
    »Und was trinke ich?« Ich nahm einen kleinen Schluck. »Ist er alt? Selten?«
    Matthew legte den Kopf in den Nacken und lachte. »Weder noch. Wahrscheinlich wurde er vor fünf Monaten abgefüllt. Es ist ein hiesiger Wein aus den Weingütern an der Straße unten. Nichts Exklusives, nichts Besonderes.«
    Vielleicht war er nicht exklusiv und nichts Besonderes, aber er war frisch und schmeckte nach Holz und Erde. Wie die Luft um Sept-Tours herum.
    »Wie ich sehe, hast du deine Suche nach einer Bibel zugunsten von etwas Wissenschaftlicherem aufgegeben. Gefällt dir Darwin?«, fragte er freundlich, nachdem er mir kurz beim Trinken zugesehen hatte.
    »Glaubst du immer noch, dass wir Geschöpfe und die Menschen von gemeinsamen Eltern abstammen? Ist es wirklich möglich, dass wir uns so unterscheiden, obwohl wir nur verschiedenen Rassen einer Art angehören?«
    Er gab einen Laut der Ungeduld von sich. »Ich habe dir schon im Labor erklärt, dass ich das nicht weiß.«
    »1859 warst du dir noch sicher. Außerdem dachtest du damals, dass das Bluttrinken möglicherweise nur eine Ernährungsform und kein artspezifisches Merkmal sein könnte.«
    »Weißt du, wie viele wissenschaftliche Fortschritte seit Darwins Zeit gemacht wurden? Es ist das Recht jedes Wissenschaftlers, seine Ansichten zu ändern, wenn neue Informationen auftauchen.« Er nahm einen Schluck Wein, stellte das Glas dann auf seinem Knie ab und drehte es langsam, sodass sich die Flammen in der Flüssigkeit brachen. »Außerdem spricht inzwischen nicht mehr viel für die menschliche Idee der unterschiedlichen Rassen. Die moderne Forschung lässt vermuten, dass die meisten sogenannten Rassenmerkmale nicht mehr sind als eine überkommene menschliche Methode, leicht zu beobachtende Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen zu erklären.«
    »Die Frage, warum du hier bist  – woher wir alle kommen  – lässt dich einfach nicht los«, stellte ich fest. »Das konnte ich auf jeder Seite in Darwins Buch erkennen.«

    Matthew betrachtete sinnierend seinen Wein. »Es ist die einzige Frage, die sich zu stellen lohnt.«
    Seine Stimme war sanft, doch die scharfen Linien und tief gezogenen Brauen verrieten, wie ernst es ihm war. Ich hätte die Falten gern geglättet und ein Lächeln auf sein Gesicht gezaubert, blieb aber sitzen, während der Flammenschein über seine weiße Haut und das dunkle Haar tanzte. Matthew griff wieder nach seinem Buch und hielt es in seinen langen Fingern, während die andere Hand das Weinglas umfasste.
    Ich starrte ins Feuer, während es draußen langsam dunkler wurde. Als eine Uhr auf dem Schreibtisch sieben schlug, legte Matthew sein Buch beiseite. »Sollen wir Ysabeau vor dem Abendessen im Salon Gesellschaft leisten?«
    »Ja«, antwortete ich und streckte unwillkürlich die Schultern durch. »Aber vorher möchte ich mich umziehen.« Meine Garderobe konnte Ysabeaus nicht das Wasser

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