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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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war unsere Familie schon immer für ihre bewundernswerte Contenance bekannt, nicht wahr, Maman ?«
    Ysabeau schnaubte ganz und gar nicht damenhaft. »Gelegentlich. Was den Wein angeht, vielleicht.«
    »Sie sollten Diplomatin werden, Ysabeau. Stets haben Sie eine Nicht-Antwort parat«, sagte ich.
    Matthew bog sich vor Lachen. »Dieu , ich hätte nicht gedacht, dass ich noch erleben würde, wie jemand meine Mutter für diplomatisch
hält. Schon gar nicht mit Worten. Schon immer war sie eher der Diplomatie des Schwertes zugeneigt.«
    Marthe kicherte zustimmend.
    Ysabeau und ich sahen ihn beide entrüstet an, was ihn gleich wieder zum Lachen brachte.
    Die Atmosphäre beim Abendessen war deutlich entspannter als am Vorabend. Matthew saß am Kopf der Tafel, Ysabeau zu seiner Linken und ich zu seiner Rechten. Marthe wanderte unablässig zwischen Küche, Kamin und Tisch hin und her und setzte sich nur zwischendurch kurz hin, um einen Schluck Wein zu trinken oder sich ins Gespräch zu mischen.
    Platten mit Essen wurden auf- und wieder abgetragen  – alles von Waldpilzsuppe über Wachteln bis hin zu hauchdünnen Rindfleischscheiben. Als ich meine Verwunderung ausdrückte, dass jemand, der keine gekochten Speisen aß, so exzellent zu würzen verstand, wurde Marthe rot und bekam Grübchen und schlug nach Matthew, als er mir Anekdoten von ihren kulinarischen Katastrophen auftischen wollte.
    »Erinnerst du dich noch an die Pastete mit den lebendigen Tauben als Füllung?« Er schnaubte. »Dummerweise hatte dir niemand gesagt, dass man die Vögel vierundzwanzig Stunden lang nichts fressen lassen darf, bevor man sie bäckt, weil es in der Pastete andernfalls aussieht wie in einem Vogelkäfig.« Damit handelte er sich einen scharfen Hieb auf den Hinterkopf ein.
    »Matthew«, warnte ihn Ysabeau und wischte sich die Tränen nach dem Lachanfall aus den Augenwinkeln, »du solltest Marthe nicht provozieren. Du hast im Lauf der Jahre ebenfalls mehr als genug Katastrophen produziert.«
    »Von denen ich jede einzelne miterleben durfte«, betonte Marthe, die eben den Salat servierte. Ihr Englisch wurde von Stunde zu Stunde besser, weil sie jedes Mal, wenn sie in meiner Gegenwart etwas sagte, in meine Sprache wechselte. Sie trat an die Anrichte und holte eine Schale mit Nüssen, die sie zwischen Matthew und Ysabeau stellte. »Zum Beispiel, als du die ganze Burg unter Wasser gesetzt hast, weil du unbedingt Wasser auf dem Dach sammeln wolltest«, zählte sie an ihren
Fingern ab, »oder als du vergessen hast, die Steuern einzutreiben. Da war es Frühling, dir war langweilig, und so bist du eines Morgens aufgestanden und nach Italien gezogen, um Krieg zu führen. Dein Vater musste den König auf Knien um Vergebung bitten. Und nicht zu vergessen New York!«, rief sie triumphierend.
    Die drei Vampire tauschten weiter Erinnerungen aus. Nur Ysabeaus Vergangenheit wurde mit keinem Wort erwähnt. Wenn die Sprache auf etwas kam, das sie oder Matthews Vater oder seine Schwester betraf, nahm das Gespräch sofort eine gnädige Wendung. Es war ein festes Muster, und ich fragte mich, wieso das wohl so war. Trotzdem sagte ich nichts, sondern ließ sie den Abend nach ihren Wünschen gestalten und genoss dabei das eigenartig tröstliche Gefühl, Teil einer Familie zu sein  – selbst wenn es eine Vampirfamilie war.
    Nach dem Essen wechselten wir in den Salon, wo inzwischen ein noch größeres und eindrucksvolleres Feuer brannte. Mit jedem Scheit, das auf den Rost geworfen wurde, heizten sich die Kamine des Schlosses weiter auf. Immer heißere Flammen schlugen hoch, bis sich der Raum beinahe aufgewärmt hatte. Matthew tat alles, damit Ysabeau sich wohlfühlte, brachte ihr noch ein Glas Wein und machte sich dann an einer Stereoanlage zu schaffen. Mir hatte Marthe stattdessen eine Tasse Tee bereitet, die sie mir mitsamt Untertasse in die Hand drückte.
    »Trinken Sie«, befahl sie streng. Auch Ysabeau beobachtete mich beim Trinken und warf Marthe dann einen vielsagenden Blick zu. »Das hilft beim Schlafen.«
    »Haben Sie den gemacht?« Er schmeckte nach Kräutern und Blüten. Eigentlich mochte ich keine Kräutertees, aber dieser schmeckte frisch und leicht bitter zugleich.
    »Ja«, antwortete sie und reagierte mit vorgerecktem Kinn auf Ysabeaus festen Blick. »Ich mache ihn schon ewig. Meine Mutter hat mir das beigebracht. Ich werde es Ihnen auch beibringen.«
    Fröhliche und rhythmische Tanzmusik erfüllte den Raum. Matthew rückte die Sessel am Kamin zur

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