Seelen der Nacht
reden, »kann die Kongregation zur Hölle fahren, wenn Gestalten wie Domenico Michele darin sitzen!«
»Was meint Matthew zu alldem?«, fragte Em. »Es überrascht mich, dass er dich allein lässt, nachdem ihr gerade erst beschlossen habt, mit einer tausendjährigen Tradition zu brechen.«
»Matthew hat mir noch nicht verraten, was er für mich empfindet.« Ich verbog konzentriert eine Briefklammer.
Am anderen Ende der Leitung blieb es still.
Schließlich sagte Sarah: »Worauf wartet er?«
Ich lachte laut. »Ihr habt mich doch gerade noch gewarnt, ich soll mich von Matthew fernhalten. Und jetzt regt ihr euch auf, weil er sich weigert, mich in noch größere Gefahr zu bringen?«
»Du willst mit ihm zusammen sein. Das sollte ausreichen.«
»Das ist keine arrangierte magische Hochzeit, Sarah. Ich entscheide für mich selbst. Und er für sich.« Die winzige Uhr mit dem Porzellanziffernblatt auf dem Schreibtisch zeigte an, dass seit seiner Abfahrt vierundzwanzig Stunden vergangen waren.
»Wenn du entschlossen bist, bei diesen Geschöpfen zu bleiben, dann nimm dich in Acht«, warnte mich Sarah, bevor wir uns verabschiedeten. »Und wenn du heimkommen musst, dann komm heim.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, schlug die Uhr die halbe Stunde: In Oxford war es bereits dunkel.
Zum Teufel mit der ewigen Warterei. Ich griff wieder zum Hörer und wählte seine Nummer.
»Diana?« Die Nervosität war ihm anzuhören.
Ich lachte. »Hast du gewusst, dass ich es bin, oder hast du die Nummer auf dem Display?«
»Es geht dir gut.« Die Nervosität wich tiefer Erleichterung.
»Ja, deine Mutter hält mich schon den ganzen Tag auf Trab.«
»Das habe ich befürchtet. Was für Lügen hat sie dir erzählt?«
Die aufreibenderen Ereignisse dieses Tages konnten warten. »Nur die Wahrheit«, sagte ich. »Dass ihr Sohn eine diabolische Kombination aus Lancelot und Superman ist.«
»Das klingt nach Ysabeau.« In seiner Stimme lag ein leises Lachen. »Ich bin wirklich erleichtert, dass sie sich nicht von Grund auf verändert hat, nachdem sie eine Nacht unter demselben Dach wie eine Hexe verbracht hat.«
Mir war es möglich, ihn über die Entfernung mit Halbwahrheiten abzuspeisen. Ich selbst sah ihn deutlich im All Souls in seinem Morris-Sessel sitzen. Der Raum badete im weichen Licht der Lampen, und seine Haut leuchtete wie poliertes Perlmutt.
»Was trinkst du gerade?« Das war das einzige Detail, das meine Fantasie nicht liefern konnte.
»Seit wann interessierst du dich für Wein?«, fragte er überrascht.
»Seit ich weiß, wie viel es darüber zu wissen gibt.« Seit ich weiß, dass du dich für Wein interessierst, du Idiot.
»Heute Abend einen Spanier – Vega Sicilia.«
»Von wann?«
»Welcher Jahrgang, meinst du?«, neckte Matthew mich. »Ein 1964er.«
»Für deine Verhältnisse also ein ziemliches Baby, oder?«, neckte ich ihn ebenfalls, erleichtert, dass sich seine Laune aufgehellt hatte.
»Ein Kleinkind«, bestätigte er. Ich brauchte keinen sechsten Sinn, um zu wissen, dass er lächelte.
»Wie lief’s bei dir heute?«
»Gut. Wir haben die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, obwohl nichts gestohlen wurde. Jemand hat versucht, sich in den Computer zu hacken, aber Miriam hat mir versichert, dass ihr System nicht zu knacken sei.«
»Wann kommst du zurück?« Die Frage war mir unversehens entwischt, und das Schweigen, das daraufhin einsetzte, dauerte unangenehm lang. Ich versuchte mir einzureden, dass es an der Verbindung lag.
»Ich weiß nicht«, antwortete er kühl. »Sobald ich kann.«
»Möchtest du mit deiner Mutter sprechen? Ich kann sie dir geben.« Ich musste mich anstrengen, damit meine Stimme nicht zitterte, so weh tat mir, wie unnahbar er plötzlich war.
»Nein, richte ihr nur aus, dass weder das Haus noch das Labor beschädigt wurden.«
Wir verabschiedeten uns. Die Brust war mir so eng, dass ich kaum Luft bekam. Als ich endlich aufstehen und mich umdrehen konnte, sah ich Matthews Mutter in der Tür stehen.
»Das war Matthew. Im Haus wurde nichts beschädigt. Ich bin müde, Ysabeau, und nicht besonders hungrig. Ich gehe wohl lieber ins Bett.« Es war fast acht Uhr und damit spät genug, um sich zurückziehen zu können.
»Natürlich.« Ysabeaus Augen glitzerten, als sie mir den Weg freigab. »Schlafen Sie gut, Diana.«
25
W ährend ich mit Matthew telefoniert hatte, war Marthe oben in Matthews Arbeitszimmer gewesen, und es warteten jetzt Sandwiches, Tee und Wasser auf mich. Sie hatte den Kamin so mit
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