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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Scheiten vollgeladen, dass das Feuer die ganze Nacht brennen würde, und eine Handvoll Kerzen tauchten alles in einen goldenen Schein. Die gleiche einladende Beleuchtung und Wärme würden mich oben im Schlafzimmer erwarten, aber mein Gehirn wollte nicht abschalten. Das Aurora -Manuskript lag auf Matthews Schreibtisch für mich bereit. Ich setzte mich an meinen Computer, ohne auch nur einen Blick auf seine blinkende Rüstung zu werfen, und schaltete die minimalistisch-futuristische Schreibtischlampe an.
    »Ich sprach: Gib mir Wissen über mein Ende und über das Maß meiner Tage, damit ich um meine Gebrechlichkeit weiß. Die Zahl meiner Tage ist begrenzt. Sie ist nur ein Augenblick, verglichen mit deiner. «
    Die Stelle ließ mich nur wieder an Matthew denken.
    Weil ich mich sowieso nicht auf den Text konzentrieren konnte, beschloss ich, eine Liste aller Fragen anzulegen, die meine bisherige Lektüre aufgeworfen hatte. Dazu brauchte ich nur einen Stift und ein Blatt Papier.
    Matthews massiver Mahagonitisch wirkte dunkel und standhaft wie sein Besitzer, und er strahlte dieselbe gediegene Würde aus. Links und rechts des Fußraumes waren mehrere Schubladen eingelassen, die auf runden, knollenförmigen Füßen ruhten. Direkt unter der Schreibfläche zog sich ein Band von Schnitzereien um den ganzen Tisch. Laubwerk, Tulpenblüten, Schriftrollen und geometrische Formen luden dazu ein, ihre Umrisse mit den Fingern nachzufahren. Anders als auf meinem Schreibtisch  – der grundsätzlich so mit Papieren, Büchern und
halbvollen Teebechern überladen war, dass man eine Katastrophe riskierte, wenn man daran arbeiten wollte  – war die Schreibfläche frei bis auf eine Schreibunterlage aus den Anfängen des zwanzigsten Jahrhunderts, einen schwertförmigen Brieföffner und die Lampe, genau wie Matthew selbst eine bizarr harmonische Mischung von Altem und Modernem.
    Allerdings waren nirgendwo Schreibmaterialien zu sehen. Ich zog an dem runden Messingknauf an der oberen rechten Schublade. Auch darin war alles ordentlich angeordnet. Die Montblanc-Füller lagen getrennt von den Montblanc-Bleistiften, und die Briefklammern waren nach Größe sortiert. Ich nahm einen Füller, legte ihn auf die Schreibunterlage und versuchte, noch eine Schublade aufzuziehen. Alle waren verschlossen. Der Schlüssel lag auch nicht unter den Büroklammern, die ich für alle Fälle auf die Schreibunterlage gekippt hatte.
    Zwischen die ledernen Ränder der Schreibunterlage war blassgrünes Löschpapier gespannt. Nachdem ich kein Schreibpapier fand, würde ich damit vorliebnehmen müssen. Ich hob den Computer an, um die Schreibunterlage frei zu machen, und stieß dabei den Füllfederhalter vom Schreibtisch.
    Ich kroch darunter und fahndete mit der Hand unter dem Schubladenblock nach dem Stift, als ich im dunklen Holz über mir die Umrisse einer weiteren Schublade ausmachte.
    Stirnrunzelnd arbeitete ich mich wieder unter dem Schreibtisch hervor. Nichts in den Schnitzereien rund um die Schreibplatte löste die Verriegelung für die versteckte Schublade. Matthew war durchaus zuzutrauen, dass er seine Schreibmaterialien in einer kaum zu öffnenden Schublade aufbewahrte. Es geschah ihm nur recht, wenn sein Löschpapier über und über vollgeschrieben war, wenn er heimkam.
    Ich schrieb die Nummer 1 in dicker schwarzer Tinte auf das grüne Papier. Dann erstarrte ich.
    Wenn eine Schublade so schwer zu finden war, wurde darin mit Sicherheit etwas versteckt.
    Matthew hatte Geheimnisse  – das wusste ich. Andererseits kannten wir uns erst ein paar Tage, und selbst die vertrautesten Liebenden
brauchten ihre Privatsphäre. Trotzdem trieb mich Matthews Verschlossenheit zum Wahnsinn; seine Geheimnisse umgaben ihn wie ein Burggraben, der die Wesen um ihn herum  – mich  – fernhalten sollte.
    Außerdem brauchte ich nur ein Blatt Papier. Hatte er in der Bodleian etwa nicht meine Sachen durchwühlt, als er nach Ashmole 782 gesucht hatte? Damals hatten wir uns gerade erst kennengelernt. Und zu guter Letzt hatte er mich allein in Frankreich zurückgelassen.
    Nichtsdestotrotz juckte mich das schlechte Gewissen, als ich den Stift wieder zuschraubte. Aber das Gefühl, dass er mich verletzt hatte, besiegte alle Gewissensbisse.
    Noch einmal betasteten meine Finger sämtliche Schnitzereien am Schreibtischrand, aber ohne Erfolg. Matthews Brieföffner lag einladend neben meiner rechten Hand. Vielleicht konnte ich ihn in den Spalt unter dem Tisch rammen und die Schublade

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