Seelen der Nacht
wütend als ich. »Je mehr Geschöpfe eure Beziehung dulden, desto wahrscheinlicher wird es zum Krieg kommen.«
»Mach dich nicht lächerlich.« Die Zeichen, die Satu in meinen Rücken gebrannt hatte, prickelten unheilverheißend. »Kriege brechen zwischen Nationen aus, nicht, weil sich ein Vampir und eine Hexe verliebt haben.«
»Was Satu dir angetan hat, sollte Matthew provozieren. Er hat genauso reagiert, wie sie gehofft haben: indem er die Bruderschaft zusammenrief.« Miriam schnaubte abfällig. »Seit er dich das erste Mal in der Bibliothek gesehen hat, ist er nicht mehr er selbst. Und als er das letzte Mal wegen einer Frau die Kontrolle verlor, musste mein Mann sterben.«
Im Raum war es grabesstill. Selbst meine Großmutter sah Miriam verblüfft an.
»Beruhige dich, Miriam«, warnte Marcus.
»Keinesfalls«, fauchte sie. »Das ist meine Geschichte, nicht deine, Marcus.«
»Dann erzähl sie«, befahl ich angespannt und hielt mich dabei an der Tischkante fest.
»Bertrand war Matthews bester Freund. Als Eleanor St. Leger getötet wurde, stand Jerusalem am Rand eines Krieges. Engländer und Franzosen wollten einander an die Kehle gehen. Matthew rief die Lazarusritter zusammen, um den Konflikt zu schlichten. Damals hätten die Menschen um ein Haar entdeckt, dass es uns gibt.« Miriams spröde Stimme brach. »Jemand musste für Eleanors Tod bezahlen. Die St. Legers verlangten Genugtuung. Eleanor starb durch Matthews Hand, aber Matthew war damals wie heute Großmeister des Ordens. Mein Ehemann nahm die Schuld auf sich – um Matthew und den Orden zu schützen. Ein Henker der Sarazenen köpfte ihn.«
»Es tut mir leid, dass dein Mann damals sterben musste, Miriam. Wirklich. Aber ich bin nicht Eleanor St. Leger, und wir sind hier nicht
in Jerusalem. Das ist schon lange her, und Matthew hat sich seither geändert.«
»Mir kommt es wie gestern vor«, widersprach Miriam schlicht. »Wieder einmal will Matthew de Clermont etwas, das er nicht bekommen kann. Er hat sich kein bisschen geändert.«
Im Raum wurde es still. Sarah sah Miriam fassungslos an. Die Geschichte bestätigte ihre schlimmsten Vorurteile gegen Vampire im Allgemeinen und Matthew im Besonderen.
»Vielleicht wirst du immer noch zu ihm stehen, selbst wenn du ihn besser kennst«, fuhr Miriam tonlos fort. »Aber wie viele Geschöpfe werden euretwegen sterben müssen? Glaubst du, dass Satu Järvinen das Schicksal von Gillian Chamberlain erspart bleiben wird?«
»Was ist mit Gillian passiert?« Em war ungewollt lauter geworden.
Miriam öffnete den Mund, um ihr zu antworten, und meine Finger schlossen sich instinktiv zu einer lockeren Faust. Dann zuckten Zeige-und Mittelfinger mit einem leisen Schnippen in ihre Richtung. Sie griff sich an die Kehle und gab ein ersticktes Gurgeln von sich.
Das war nicht sehr nett, Diana , ermahnte mich meine Großmutter und drohte mir mit dem Zeigefinger. Du musst lernen, dich zu beherrschen, mein Mädchen.
»Halt dich da raus, Grandma – und du dich auch, Miriam.« Ich durchbohrte beide mit einem vernichtenden Blick und sah dann Em an. »Gillian ist tot. Sie und Peter Knox hatten mir das Bild von Mom und Dad in Nigeria geschickt. Damit wollten sie mir drohen, und darum hatte Matthew das Gefühl, mich beschützen zu müssen. Das ist für ihn so selbstverständlich wie zu atmen. Bitte versuch ihm zu verzeihen.«
Em wurde bleich. »Matthew hat sie umgebracht, weil sie dir ein Bild geschickt hat ?«
»Nicht nur deswegen«, mischte sich Marcus ein. »Sie hatte Diana seit Jahren ausspioniert. Gillian und Knox waren in ihre Räume im New College eingebrochen. Sie waren auf der Suche nach einer DNA-Spur, um mehr über Dianas Kräfte zu erfahren. Hätten sie herausgefunden, was wir inzwischen wissen …«
Wenn Gillian und Knox das Ergebnis meiner DNA-Analyse wüssten, hätte mir ein schlimmeres Schicksal als der Tod gedroht. Andererseits traf es mich ins Mark, dass Matthew mir nicht alles erzählt hatte. Ich verbarg diesen Gedanken und versuchte die Tore hinter meinen Augen zu verschließen. Meine Tanten brauchten nicht zu wissen, dass mein Ehemann Geheimnisse vor mir hatte.
Doch meiner Großmutter konnte ich nichts vormachen. Ach, Diana, flüsterte sie. Weißt du auch wirklich, was du da tust?
»Ich will, dass ihr alle mein Haus verlasst.« Sarah schob ihren Stuhl zurück. »Du auch, Diana.«
Ein langsames, tiefes Beben stieg vom alten Kartoffelkeller unter dem Familienzimmer nach oben und breitete sich durch die
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