Seelen der Nacht
ich nur für mich gelebt und mich vor allen Verpflichtungen gedrückt, die Familie und Tradition mit sich brachten. Und selbst jetzt wollte etwas in mir zurück in die sichere Unabhängigkeit fliehen.
Sein Blick wanderte zum Haus zurück. »Was ist passiert, nachdem ich aus dem Haus bin?«
»Ach, nichts, was nicht zu erwarten gewesen wäre. Miriam hat uns von Bertrand und Jerusalem erzählt und dabei auch das mit Gillian erwähnt.
Marcus hat uns erzählt, wer in mein Apartment eingebrochen ist. Und dann wäre da noch das Problem, dass wir einen Krieg vom Zaun gebrochen haben könnten.«
»Dieu, warum können sie nicht den Mund halten?« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, und ich sah in seinen Augen, wie sehr er bedauerte, all das vor mit geheim gehalten zu haben. »Anfangs war ich sicher, dass es bei all dem nur um das Manuskript geht. Dann nahm ich an, dass es sich bei dieser Geschichte vor allem um dich dreht. Inzwischen weiß ich beim besten Willen nicht mehr, was das alles soll. Wir erleben am eigenen Leib, wie irgendein uraltes, machtvolles Geheimnis gelüftet wird.«
»Fragt sich Miriam zu Recht, wie viele andere Geschöpfe außer uns von diesem Verbot betroffen sind?« Ich starrte den Mond an, als könnte er meine Frage beantworten. Matthew übernahm das für ihn. »Ich bezweifle, dass wir die ersten Wesen sind, die jemanden lieben, den sie nicht lieben sollten, und wir werden sicherlich nicht die letzten sein.« Er nahm meinen Arm. »Lass uns ins Haus gehen. Wir haben einiges zu erklären.«
Auf dem Weg über die Zufahrt sagte Matthew, dass Erklärungen genau wie Medizin leichter zu schlucken sind, wenn man etwas zum Nachspülen bekommt. Wir betraten das Haus durch die Hintertür, um die nötigen Utensilien zu holen. Während ich ein Tablett zusammenstellte, lag Matthews Blick fest auf mir.
»Was ist?« Ich sah auf. »Habe ich etwas vergessen?«
Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Nein, ma lionne. Ich überlege nur, womit ich eine so leidenschaftliche Frau verdient habe. Selbst wenn du ein Tablett zusammenstellst, siehst du respekteinflößend aus.«
»Ich bin bestimmt nicht respekteinflößend«, sagte ich und zog verlegen meinen Pferdeschwanz straff.
»O doch.« Matthew lächelte. »Sonst wäre Miriam nicht so außer sich.«
Als wir an die Tür zwischen Esszimmer und Familienzimmer traten, lauschten wir kurz, ob von drinnen Schlachtenlärm herausdrang,
aber wir hörten nichts als leises Gemurmel und gedämpfte Unterhaltungen. Das Haus entriegelte die Tür für uns und öffnete sie.
»Wir dachten, dass ihr vielleicht durstig seid«, sagte ich und stellte das Tablett auf dem Tisch ab.
Zahllose Augen sahen uns an – Vampire, Hexen und Geister. Meine Großmutter hatte eine ganze Schar von Bishops im Rücken, die sich alle raschelnd zusammendrängten, um möglichst großen Abstand zu den Vampiren im Esszimmer zu halten.
»Whisky, Sarah?«, fragte Matthew und nahm ein Glas vom Tablett.
Sie sah ihn kritisch an. »Miriam sagt, wir würden einen Krieg riskieren, wenn wir eure Beziehung billigen. Mein Vater hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft.«
»Genau wie meiner«, Matthew schenkte ihr den Whisky ein. Er selbst mit Sicherheit auch, aber darüber ließ er sich nicht aus.
»Er sagte immer, nur dank des Whiskys hätte er nachts die Augen schließen können, ohne sich für alles zu hassen, was er an diesem Tag hatte tun müssen.«
Matthew streckte ihr das Glas hin.
Sarah nahm es ihm ab. »Würdest du deinen eigenen Sohn töten, wenn du glauben würdest, er könnte Diana gefährlich werden?«
Er nickte. »Ohne zu zögern.«
»Das hat er auch behauptet.« Sarah nickte zu Marcus hin. »Gib ihm auch was zu trinken. Es ist bestimmt nicht angenehm zu wissen, dass einen der eigene Vater töten könnte.«
Matthew reichte Marcus ebenfalls einen Whisky und schenkte dann Miriam ein Glas Wein ein. Ich hatte für Em einen Becher Milchkaffee gemacht. Sie hatte geweint und sah noch zerbrechlicher aus als sonst.
»Ich weiß einfach nicht, ob ich das alles aushalte, Diana«, flüsterte sie, als sie den Becher aus meiner Hand nahm. »Marcus hat uns erklärt, was Gillian und Peter Knox geplant hatten. Aber wenn ich an Barbara Chamberlain denke und mir vorstelle, wie sie sich fühlen muss, nachdem ihre Tochter ermordet wurde …« Em verstummte schaudernd.
»Gillian Chamberlain war eine sehr ehrgeizige Frau, Emily«, erklärte
ihr Matthew. »Sie wollte immer nur einen Platz am Tisch der
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