Seelen der Nacht
wohlauf. Es ist sehr… still, seit ihr abgereist seid.«
Mir wurden die Augen feucht. Ysabeau mochte streng und abweisend wirken, aber sie hatte etwas durch und durch Mütterliches an sich. »Hexen sind lauter als Vampire, fürchte ich.«
»Ja. Und Glück ist immer lauter als Trauer. In diesem Haus gibt es nicht genug Glück.« Dann wurde sie wieder sachlich. »Matthew hat mir alles gesagt, was er zu sagen hatte. Wir können nur hoffen, dass seine Wut halbwegs verraucht ist. Ihr passt aufeinander auf.« Ysabeaus letzter Satz war eine Feststellung. Die Frauen in ihrer Familie – meiner Familie – beschützten grundsätzlich jene, die sie liebten.
»Immer.« Ich sah meinen Vampir an, dessen weiße Haut aus der Dunkelheit zu leuchten schien, und drückte auf den roten Knopf, um die Verbindung zu trennen. Die Felder beiderseits der Zufahrt waren
mit Frost überzogen, und die Eiskristalle fingen die schwachen Mondstrahlen auf, die durch die Wolken drangen.
»Hast du das auch vermutet? Wolltest du deshalb nicht mit mir schlafen?«, fragte ich Matthew.
»Ich habe dir meine Gründe genannt. Beim Liebesakt sollte es um Vertrautheit gehen, nicht nur um körperliche Bedürfnisse.« Er klang, als wäre er es leid, sich ständig wiederholen zu müssen.
»Wenn du keine Kinder mit mir bekommen möchtest, werde ich das verstehen«, sagte ich fest, obwohl etwas in mir sofort protestierte.
Seine Hände fühlten sich rau auf meinen Armen an. »Jesus, Diana, wie kannst du glauben, ich würde keine Kinder mit dir haben wollen? Aber es könnte gefährlich werden – für sie und für dich.«
»Eine Schwangerschaft ist immer riskant. Nicht einmal du kannst die Natur kontrollieren.«
»Wir haben keine Ahnung, was das für Kinder werden würden. Und wenn sie genau wie ich Blut zum Überleben bräuchten?«
»Alle Babys sind Vampire, Matthew. Alle ernähren sich anfangs vom Blut ihrer Mutter.«
»Das ist etwas anderes, das weißt du genau. Ich habe die Hoffnung auf eigene Kinder vor langer Zeit aufgegeben.« Unsere Blicke verbanden sich, als wollten wir uns gegenseitig vergewissern, dass sich zwischen uns nichts geändert hatte. »Aber es ist noch zu früh, als dass ich mir vorstellen könnte, dich zu verlieren.«
Und ich würde es nicht ertragen, unsere Kinder zu verlieren.
Ich hörte Matthews unausgesprochene Ergänzung so deutlich wie den Ruf der Eule über mir. Der Schmerz über Lucas Verlust war immer noch nicht verwunden. Sein Tod hatte ihn tiefer verletzt als der von Bianca oder Eleanor. Als er Lucas verloren hatte, hatte er damit einen Teil seiner selbst verloren, den er nie würde ersetzen können.
»Du hast dich also entschieden. Keine Kinder. Und dessen bist du dir sicher.« Ich legte meine Hand auf seine Brust und wartete auf den nächsten Herzschlag.
»Ich bin mir in gar nichts sicher«, sagte Matthew.
»Dann werde ich weiter Marthes Tee trinken.«
»Du wirst verdammt noch mal mehr tun«, meinte er grimmig. »Das Zeug mag besser als nichts sein, aber es ist längst nicht so effektiv wie die moderne Medizin. Andererseits könnte es sein, dass jede menschliche Form von Verhütung versagt, wenn es um Hexen oder Vampire geht.«
»Ich werde trotzdem die Pille nehmen«, versicherte ich ihm.
»Und was ist mit dir?«, fragte er und legte einen Finger unter mein Kinn, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. »Willst du Kinder von mir?«
»Ich habe mich noch nie als Mutter gesehen.« Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Aber wenn ich mir vorstelle, wir hätten Kinder, kommt es mir vor, als sei es das Natürlichste der Welt.«
Er ließ mein Kinn los. Schweigend standen wir in der Dunkelheit, er hatte seine Arme um meine Taille gelegt und ich meinen Kopf auf seine Brust gebettet. Die Luft schien schwer auf uns zu liegen, und ich begriff, dass ich mit einem Mal die Last seiner Verantwortung spürte. Matthew war verantwortlich für seine Familie, seine Vergangenheit, die Lazarusritter – und jetzt für mich.
»Du machst dir Sorgen, dass du sie vielleicht nicht beschützen könntest«, begriff ich plötzlich.
»Ich kann nicht einmal dich beschützen«, bestätigte er barsch und breitete dabei die Finger über den Sichelmond, der in meinen Rücken eingebrannt war.
»Wir brauchen das noch nicht zu entscheiden. Auch ohne eigene Kinder haben wir eine Familie, die wir zusammenhalten müssen.« Das Gewicht in der Luft verlagerte sich und lastete jetzt auch auf meinen Schultern. Mein ganzes Leben hatte
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