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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Bodendielen aus. Es kletterte die Wände hoch und brachte die Fensterscheiben zum Klirren. Sarahs Stuhl schoss vor und klemmte sie am Tisch fest. Die Tür zwischen Ess- und Familienzimmer knallte zu.
    Das Haus konnte es noch nie leiden, wenn Sarah das Kommando übernehmen will, kommentierte meine Großmutter.
    Mein Stuhl rutschte zurück und kippte mich ohne weitere Umstände auf den Boden. Ich zog mich am Tisch hoch, doch sobald ich wieder stand, drehte etwas mich um und schob mich aus dem Zimmer und auf die Haustür zu. Die Zimmertür fiel hinter mir ins Schloss und schloss zwei Hexen, zwei Vampire und einen Geist im Esszimmer ein. Wütende Proteste drangen durch das Holz.
    Ein weiterer Geist, den ich bis dahin noch nicht gesehen hatte, kam aus der Stube und winkte mich weiter. Sie trug ein kunstvoll besticktes Mieder über einem dunklen, vollen Rock, der über den Boden schleifte. Ihr Gesicht war alt und faltig, doch das eigensinnige Kinn und die lange Bishop-Nase waren unverkennbar.
    Pass auf, mein Mädchen. Ihre Stimme war tief und rauchig. Du bist ein Wesen am Scheideweg, weder hier noch da. Das ist ein gefährlicher Ort.
    »Wer bist du?«
    Ohne zu antworten, blickte sie zum Eingang. Die Haustür öffnete sich lautlos und geschmeidig, ohne das sonst übliche Quietschen und
Knarren. Ich habe immer gewusst, dass er eines Tages kommen würde  – dass er dich holen würde. Meine eigene Mutter hat es mir gesagt.
    Ich stand zwischen den Bishops und den de Clermonts  – ein Teil von mir wollte ins Esszimmer zurückkehren, der andere wollte zu Matthew. Der Geist lächelte über mein Dilemma.
    Du hast schon als Kind immer zwischen allen Stühlen gesessen, du warst immer anders als alle anderen Hexen. Aber es führt kein Weg nach vorn, ohne dass er dich dort erwartet. Wohin du dich auch wendest, du musst dich für ihn entscheiden.
    Sie verschwand, und nur ein paar fluoreszierende Flecken blieben zurück. Durch die offene Tür konnte ich Matthews weißes Gesicht und seine Hände erkennen, eine entfernte, verschwommene Bewegung in der Dunkelheit am anderen Ende der Zufahrt. Sobald ich ihn sah, fiel mir die Entscheidung leicht.
    Draußen zog ich die Ärmel über die Hände, um mich vor der Kälte zu schützen. Ich hob einen Fuß, und als ich ihn wieder absetzte, stand ich direkt hinter Matthew. Mit einem einzigen Schritt war ich ans andere Ende der Zufahrt gelangt.
    Er sprach wütend und hektisch okzitanisch. Offenbar telefonierte er mit Ysabeau.
    »Matthew«, sagte ich leise, um ihn nicht zu erschrecken.
    Er wirbelte herum und sah mich stirnrunzelnd an. »Ich habe dich gar nicht kommen gehört.«
    »Nein, das konntest du nicht. Lässt du mich bitte mit Ysabeau sprechen?« Ich griff nach dem Handy.
    »Diana, es wäre besser …«
    Unsere Familien waren im Esszimmer eingesperrt, und Sarah hatte gedroht, uns alle aus dem Haus zu werfen. Wir hatten genug Probleme, auch ohne dass wir uns mit Ysabeau und Marthe überwarfen.
    »Was sagte Abraham Lincoln noch über Häuser?«
    »Ein Haus, das in sich uneins ist, kann nicht bestehen«, antwortete Matthew verdutzt.
    »Ganz genau. Gib mir das Handy.« Widerwillig überließ er es mir.
    »Diana?« Ysabeau klang ungewöhnlich nervös.

    »Ganz egal, was Matthew gesagt hat, ich bin euch nicht böse. Es wurde niemandem Schaden zugefügt.«
    »Danke«, atmete sie auf. »Das habe ich ihm auch zu erklären versucht  – dass uns einfach ein vages Gefühl beschlichen hat, etwas halb Vergessenes aus grauer Vorzeit. Damals war Diana die Göttin der Fruchtbarkeit. Dein Duft erinnerte mich an diese Zeiten und an die Priesterinnen, die den Frauen halfen, ein Kind zu empfangen.«
    Matthews Blick berührte mich in der Dunkelheit.
    »Du wirst es auch Marthe sagen?«
    »Das werde ich, Diana.« Sie holte Luft. »Matthew hat mir von deinen Analyseergebnissen und von Marcus’ Theorie erzählt. Dass er deine Geschichte erzählt hat, zeigt, wie sehr ihn das aus der Fassung gebracht hat. Ich weiß nicht, ob ich jetzt vor Freude oder vor Angst weinen soll.«
    »Vielleicht aus beiden Gründen?«
    Sie lachte leise. »Es wird nicht das erste Mal sein, dass mich meine Kinder zum Weinen bringen. Aber ich würde den Kummer nicht missen wollen, wenn ich dafür auch auf die Freude verzichten müsste.«
    »Ist zu Hause alles in Ordnung?« Die Worte waren mir entschlüpft, und sofort wurde Matthews Blick weicher.
    »Zu Hause?« Auch Ysabeau war meine Wortwahl nicht entgangen. »Ja, wir sind hier alle

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