Seelen der Nacht
Übrigen.«
»Definiere bitte jünger «, verlangte Em.
»Aleph lebte vor etwa siebentausend Jahren.«
»Vor sieben tausend Jahren?«, wiederholte Sarah ungläubig. »Aber wir Bishops können unsere weiblichen Vorfahren gerade mal bis 1617 zurückverfolgen.«
»Gimel lebte vor zirka vierzigtausend Jahren«, fuhr Matthew grimmig
fort. »Wenn Miriam also recht hat und der He-Stamm noch älter ist, gibt es eure Abstammungslinie noch länger.«
»Verflucht«, hauchte Sarah leise. »Und wer ist Lilith?«
»Die erste Hexe.« Ich zog Matthews Diagramme zu mir her und musste an die kryptische Antwort denken, die er gegeben hatte, als ich ihn in Oxford fragte, ob er nach dem ersten aller Vampire suche. »Oder wenigstens diejenige Hexe, von der alle heutigen Hexen mütterlicherseits abstammen.«
»Marcus liebt die Präraffaeliten, und Miriam versteht etwas von Mythologie. Die beiden haben den Namen gewählt«, erklärte Matthew.
»Die Präraffaeliten liebten Lilith. Für Dante Gabriel Rossetti war sie die Hexe, die Adam noch vor Eva liebte.« Marcus’ Blick wurde träumerisch. »Die Augen des Jünglings dein Flammenblick ruft, dein Zauber besiegt ihn, er ahnt nicht die Kluft, und goldene Haare das Herz ihm umstricken .«
»Das Hohelied Salomos wurde in der King-James-Bibel ganz ähnlich übersetzt«, bemerkte Matthew. »Meine Vollkommene, du hast mir das Herz verletzt, meine Schwester, meine Braut, mit einem einzigen Blick deiner Augen und mit nur einem Haar an deinem Hals.«
»Die Alchemisten hatten eine Schwäche für diese Passage«, murmelte ich kopfschüttelnd. »In der Aurora Consurgens kommt sie auch vor.«
»In anderen Schilderungen wird Lilith längst nicht so verklärt dargestellt«, verkündete Miriam ernst und lenkte das Gespräch damit auf das eigentliche Thema zurück. »Sie konnte auch eine Kreatur der Nacht sein, Göttin des Windes und des Mondes und Gefährtin Samaels, des Todesengels.«
»Hatten die Göttin des Mondes und der Todesengel gemeinsame Kinder?«, fragte Sarah und sah uns scharf an. Wieder einmal stießen wir auf unheimliche Parallelen zwischen alten Sagen, alchemistischen Texten und meiner Beziehung zu einem Vampir.
»Ja.« Matthew nahm mir die Analysen aus der Hand und ordnete sie zu einem akkuraten Stapel.
»Deshalb macht sich die Kongregation solche Sorgen«, sagte er leise. »Sie fürchten, dass Kinder entstehen könnten, die weder Vampire,
noch Hexen oder Dämonen sind, sondern eine Mischform. Wie sollten sie darauf reagieren?«
»Wie viele Kreaturen waren in all den Jahren wohl in der gleichen Lage wie du und Matthew jetzt?«, überlegte Marcus.
»Wie viele sind es jetzt wohl?«, ergänzte Miriam.
»Die Kongregation ahnt nichts von diesen Testergebnissen – Gott sei Dank.« Matthew schob den Papierstapel in die Mitte des Tisches zurück. »Aber damit wissen wir immer noch nicht, ob Diana ein Kind von mir bekommen könnte.«
»Warum hätte die Haushälterin in eurem Schloss Diana sonst beigebracht, wie man diesen Tee mischt?«, fragte Sarah. »Sie hält es jedenfalls für möglich.«
Ach du je, sagte meine Großmutter mitfühlend. Gleich geht es richtig los.
Matthew erstarrte, und eine Schwade intensiven Nelkendufts durchzog den Raum.
»Der Tee, den Diana und wie heißt sie noch – Marthe – in Frankreich zusammengestellt haben. Er ist voller abtreibender und verhütender Kräuter. Ich habe es gerochen, sobald Diana den Deckel von der Dose genommen hatte.«
»Wusstest du das?« Matthews Gesicht war weiß vor Wut.
»Nein«, flüsterte ich. »Aber es ist niemand zu Schaden gekommen.«
Matthew stand auf. Ohne mich anzusehen, zog er das Handy aus der Tasche. »Entschuldigt mich bitte«, sagte er zu Em und Sarah und stürmte aus dem Zimmer.
»Wie konntest du nur, Sarah?«, fuhr ich sie an, sobald die Haustür hinter ihm ins Schloss gefallen war.
»Er hatte ein Recht, es zu erfahren – genau wie du. Niemand sollte ohne sein ausdrückliches Einverständnis Medikamente nehmen müssen.«
»Es war nicht deine Aufgabe, ihm das zu erklären.«
»Nein«, bestätigte Miriam zufrieden, »sondern deine.«
»Halt dich da raus, Miriam.« Ich kochte vor Wut, und meine Hände zuckten.
»Dafür ist es zu spät, Diana. Deine Beziehung zu Matthew bringt alle in diesem Raum in Gefahr. Dadurch wird sich einfach alles ändern, egal, ob ihr Kinder bekommt oder nicht. Und jetzt hat er auch noch die Lazarusritter in die Sache hineingezogen.« Miriam war nicht weniger
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