Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelen-Transfer

Seelen-Transfer

Titel: Seelen-Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Frank Russell
Vom Netzwerk:
Boden. Es sah aus, als habe jemand dort ein Bündel alter Kleider liegengelassen.
    „Mutter!“ schrie Grigor gequält, und erst in diesem Augenblick blieb die Gruppe stehen.
    Man versammelte sich um sie, trug sie auf eine kleine Lichtung, durchforstete schnell den Erste-Hilfe-Kasten. Ihre Augen waren geschlossen, ihr breites Gesicht hatte eine leicht purpurne Färbung angenommen. Nichts deutete darauf hin, daß sie noch atmete. Kessler hielt ihr Handgelenk und war nicht in der Lage, ihren Puls zu zählen. Stumm und hilflos sahen sich die Menschen an – keiner unter ihnen war Arzt.
    Irgend jemand legte ihr ein nasses Tuch über die Stirn, ein anderer hielt ihr eine Riechflasche unter die Nase. Wieder andere klopften ihr die Wangen und massierten ihre dicken, wunden Finger. Verzweifelt versuchten sie, sie wieder in die triste Welt zurückzurufen, die sie so abrupt verlassen hatte, aber alle Bemühungen waren vergeblich.
    Schließlich nahm Kessler seine Mütze ab und sagte zu dem geschockten Grigor: „Es tut mir leid. Es tut mir schrecklich leid.“
    „Mutter“, murmelte Grigor jetzt immer wieder. „Oh, meine arme Frau …“ Dann redete er in einer gutturalen Sprache, die die anderen nicht verstanden, ging hinunter auf die Knie, ergriff sie bei den Schultern und preßte sie fest an sich. Ihre Brille lag unbeachtet und zerbrochen im Gras, während er sie so umarmte, als wolle er sie nie wieder loslassen. „Meine geliebte Gerda …! Oh meine …“
    Die anderen entfernten sich ein kleines Stück und starrten, mit ihren Waffen im Anschlag, in den Dschungel, während Grigor sich von der einen Hälfte seines Lebens verabschiedete. Schließlich zog man ihn sachte beiseite und begrub sie unter einem schattigen Baum. Ein einsames Kreuz stand kurz darauf in dem feindlichen Dschungel.
    Zwei Stunden später und sieben Meilen weiter nördlich schlugen sie ihr Nachtlager auf. Bisher hatte Grigor nicht ein Wort gesagt. Wie ein Automat war er dahinmarschiert, hatte nichts gesehen, nichts gehört und sich für nichts interessiert.
    Als sie dann beim hellen und warmen Feuer beisammensaßen, beugte Sammy Finestone sich zu ihm hinüber. „Nehmen Sie es nicht so schwer. Es wäre ihr bestimmt nicht recht.“
    Grigor antwortete nicht. Sein Blick blieb starr in die Flammen gerichtet, obwohl es schien, daß er kein Licht wahrnahm.
    „Sie ist schnell und friedlich von uns gegangen“, fuhr Sammy fort. „Und besser könnte es nicht sein. Es war ihr Herz, nicht wahr?“ Immer noch erhielt er keine Antwort. „Mehrmals fiel mir auf“, fuhr er dann fort, „daß sie während unseres Marsches schwer atmete und sich die Seite hielt. Ich dachte, sie würde von Seitenstichen geplagt, aber es war ihr Herz. Sie muß große Schmerzen gehabt haben – warum hat sie es nie gesagt?“
    „Machte nicht gern Schwierigkeiten“, murmelte Grigor düster. Das waren seine ersten Worte seit langem.
    Es waren auch seine letzten.
    Gegen vier Uhr in der Frühe war er verschwunden. Zwei Monde standen im Zenit, während der dritte noch weit darunter war, als es Kessler auf seinem Posten langweilig wurde und er um ihren Lagerplatz herummarschierte. Er stellte fest, daß Grigors Schlafstelle verlassen war. Da Ruhe und Schlaf von allen dringend benötigt wurden, mußte man es sich zweimal überlegen, bevor man Alarm schlug. Also stieg er vorsichtig über die Schlafenden hinweg, suchte den Lagerplatz und die unmittelbare Umgebung ab, fand aber nirgends Grigor.
    Der Dschungel schwieg bedrohlich. Ein leuchtendes Etwas mit weiten Flügeln schwebte durch die Baumkronen und verschwand – ein schweigendes Gespenst. Kessler überdachte die Situation. Es war unmöglich festzustellen, wie und wann Grigor sich davongestohlen hatte. Vielleicht war er schon eine Stunde oder länger fort. Bestimmt war er jetzt schon Meilen entfernt – falls er noch lebte.
    Wohin er gegangen war, war allerdings leicht zu erraten. Was also war zu tun? Wenn er, Kessler, jetzt allein auf die Suche ging, mußte er erst jemanden wecken, der ihn auf seinem Posten ablöste. Dann wäre darüber hinaus die kleine Gruppe für eine bestimmte Zeit getrennt, was die Möglichkeiten verdoppelte, von irgend etwas angegriffen zu werden, das vielleicht schon seit Tagen darauf lauerte, zuzuschlagen. In ihrer Lage war Zusammenstehen ihre einzige Stärke. Trennung würde unweigerlich in einer Katastrophe enden.
    Immer noch zögernd, war er gezwungen, das Problem auf die einzig mögliche Art und Weise zu lösen

Weitere Kostenlose Bücher