Seelen-Transfer
– indem er sie alle aufweckte.
„Grigor ist zurückgegangen.“
„Wann?“
„Ich weiß es nicht. Entweder ist er völlig lautlos davongeschlichen, während ich ihm den Rücken zuwandte, oder er war bereits verschwunden, als ich meine Wache antrat, und ich bemerkte es nicht.“ Er starrte ins Feuer. „Wir können ihn in diesem tödlichen Irrgarten nicht allein lassen. Wir müssen ihn zurückholen.“
„Ich werde gehen und ihn holen“, bot Sammy an und griff nach seiner Machete.
„Wir können nicht das Risiko eingehen, einer nach dem anderen aufgeopfert zu werden“, erklärte Kessler und bedeutete ihm, sitzenzubleiben. „Wir bleiben zusammen, ganz gleich, ob wir nun weiter- oder zurückgehen.“
Bill Mallet stand auf, gähnte herzhaft, griff nach seinem Gepäck und nach seiner Machete. „Das wäre also klar. Wir gehen alle zurück. Es sind ja nur sieben Meilen. Was sind schon sieben Meilen?“ Er gähnte noch einmal und beantwortete sich die Frage selbst: „Um diese Tageszeit sind es fast siebzig. Na und? Gehen wir!“
Sie schulterten ihre Habseligkeiten und marschierten los, Pistolen und Macheten einsatzbereit in den Händen. Hinter ihnen wurde der Glutfleck des Feuers kleiner. Die Monde spendeten gerade so viel Licht, daß der Pfad vor ihnen verschwommen zu erkennen war. Feeny trottete voran, schnüffelte hier und da mißtrauisch herum, ließ auch ab und an einmal ein leises Grollen vernehmen.
Grigor lag auf der kleinen Lichtung auf der Seite; sein Körper war unförmig verkrampft, er hatte die Beine angezogen; neben sich hielt er in der linken Hand eine halbgeleerte Flasche aus dem Erste-Hilfe-Kasten. Mit seinem rechten Arm umfaßte er den frischen Grabhügel, als wolle er ihn beschützen. Neben seinem Kopf stand das hölzerne Kreuz.
Die Menschen holten den Spaten hervor und gruben ihm dicht neben seiner geliebten Gerda ein Grab, so, wie er es sich gewünscht hätte. Er hatte das Ziel erreicht, zu dem er sich durch die feindselige Nacht durchgeschlagen hatte.
Vermutlich hatte er während des ganzen Marsches am Tag zuvor darüber nachgedacht und dann eine Entscheidung getroffen. Er würde sie nicht allein lassen.
Und das hatte er dann auch nicht getan.
Kessler machte eine Eintragung in sein Tagebuch: „Dreizehnter Tag. Insgesamt vermutlich einhundert Meilen zurückgelegt. Kommen schneller voran als in den beiden letzten Tagen.“ Er erwähnte nicht, warum sie schneller vorangekommen waren. Jeder wußte, daß es zwei Gründe dafür gab. Einmal waren sie die Langsamsten unter ihnen losgeworden. Zum anderen würden ihre Nahrungsrationen bei der bisherigen Geschwindigkeit nicht ausreichen, auch wenn ihnen die von zwei Toten noch hinzugekommen waren. Etwa einhundert Meilen in dreizehn Tagen – das reichte nicht aus. Würde denn dieser verfluchte Dschungel nie zu Ende sein?
Während er eine Packung Nahrungskonzentrat aufbrach und an Feeny verfütterte, sich dann selbst eine öffnete und langsam aß, sagte Kessler: „Es gibt einen Trost, wenn man es so nennen kann. Unsere Last wird mit jeder Mahlzeit um einen Bruchteil geringer.“
„Es gibt hier unzählige Früchte und Wurzeln“, bemerkte Mallet. „Ich kenne auch Vorschrift Nummer Eins: Essen Sie nichts, was sich nicht als wirklich eßbar erwiesen hat. Die Strafe für die Nichteinhaltung dieser Regel kann sehr schlimm sein – aber früher oder später werden wir es doch riskieren müssen.“
„Nicht essen – langsam sterben“, ergänzte Little Koo.
„Etwas Falsches essen – schnell sterben.“
„Und es kann sogar ein Glück sein, schnell zu sterben“, fügte Mallet noch hinzu. „Auf anderen Welten können lecker aussehende Früchte dazu führen, daß der Körper sich zu einem Knäuel zusammendreht.“
„Dann käme man mit einem kleineren Grab aus“, schloß Sammy Finestone haarscharf. „Das ersparte auch die halbe Arbeit. Man könnte es ein ökonomisches Sterben nennen.“
Mallet betrachtete ihn eingehend. „Ich hätte jederzeit gewettet, keine Witze von Ihnen zu hören, seien sie makaber oder sonstwie.“
„Warum?“
„Weil ich davon ausgegangen bin, daß Sie bis dahin entweder ein Nervenwrack sind oder tot.“
„Ich bin ein nervliches Wrack“, sagte Sammy. „Muß alles aufbieten, um mich am Leben zu erhalten.“
„Welch ein Mann“, lobte Mallet. „Halten Sie sich nur weiter gut fest, dann kommen Sie durch.“
Kessler zupfte sich an seinem Bart, der ihm inzwischen gewachsen war, und sagte zu Sammy: „Glauben
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