Seelen
aufessen«, drängte Jamie mich. »Alle essen, bis ihnen schlecht ist. Das ist schon Tradition.«
»Du brauchst das Eiweiß«, fügte Trudy hinzu. »Wir haben schon viel zu lange nur die Höhlenration gegessen. Erstaunlich, dass das niemandem stärker zugesetzt hat.«
Ich aß mein Eiweiß, während Jamie mit Adleraugen beobachtete, wie Bissen für Bissen vom Tablett in meinen Mund wanderte. Ihm zuliebe aß ich alles auf, obwohl ich von dem vielen Essen Bauchschmerzen bekam.
Gegen Ende meiner Mahlzeit begann sich die Küche wieder zu füllen. Ein paar hielten Äpfel in der Hand - die sie alle mit jemand anderem teilten. Neugierige Augen musterten meine wunde Gesichtshälfte.
»Wieso kommen um diese Zeit alle hierher?«, flüsterte ich Jamie zu. Es war dunkel draußen, die Zeit fürs Abendessen vorbei.
Jamie sah mich einen Moment lang verständnislos an. »Um dir zuzuhören.« Sein Tonfall ergänzte das fehlende »Wozu denn sonst?«.
»Machst du Witze?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass sich nichts geändert hat.«
Ich blickte mich in dem schmalen Raum um. Es war nicht voll. Doc war heute nicht da und keiner der zurückgekehrten Beutejäger, einschließlich Paige. Kein Jeb, kein Ian, kein Walter. Ein paar andere fehlten ebenfalls: Travis, Carol, Ruth Ann. Aber es waren mehr da, als ich gedacht hätte - wenn ich überhaupt gedacht hätte, dass irgendjemand nach einem solch ungewöhnlichen Tag dem gewöhnlichen Ritual folgen würde.
»Können wir bei den Delfinen weitermachen, wo wir aufgehört haben?«, fragte Wes und unterbrach damit meine Bestandsaufnahme. Es war mir klar, dass er nur den Ball ins Rollen bringen wollte und nicht wirklich an den Verwandtschaftsverhältnissen auf einem fremden Planeten interessiert war.
Alle sahen mich erwartungsvoll an. Offensichtlich hatte sich das Leben nicht so sehr verändert, wie ich gedacht hatte.
Ich nahm Heidi ein Blech mit Brötchen aus der Hand und drehte mich um, um es in den Steinofen zu schieben. Während ich den anderen noch den Rücken zugekehrt hatte, begann ich zu sprechen.
»Also … äh … hmm … das … äh … dritte Großelternpaar … Sie dienen traditionellerweise der Gemeinschaft, so sehen sie es zumindest. Auf der Erde wären sie die Ernährer, diejenigen, die den Unterhalt nach Hause bringen. Die meisten von ihnen sind Bauern. Sie bauen ein pflanzenähnliches Gewächs an, dessen Saft sie melken …«
Und das Leben ging weiter.
Jamie versuchte mir auszureden, in dem Vorratsgang zu schlafen, aber es war ein halbherziger Versuch. Es gab keinen anderen Platz für mich. Störrisch wie immer bestand er darauf, meinen Schlafplatz mit mir zu teilen. Ich nahm an, dass Jared das nicht besonders gefiel, aber da ich ihn weder an diesem Abend noch am nächsten Tag zu Gesicht bekam, konnte ich meine Theorie nicht überprüfen.
Es war ein komisches Gefühl, meinen üblichen Aufgaben wieder nachzugehen, jetzt, wo die sechs Beutejäger zurückgekehrt waren - so wie am Anfang, als Jeb mich gezwungen hatte, mich in die Gemeinschaft einzugliedern. Feindliche Blicke, wütendes Schweigen. Für sie war es allerdings schwerer als für mich - ich war schließlich bereits daran gewöhnt. Für sie dagegen war es vollkommen neu, wie mich die anderen behandelten. Als ich zum Beispiel bei der Maisernte half und Lily sich lächelnd bei mir für einen neuen Korb bedankte, fielen Andy beinahe die Augen aus dem Kopf. Oder als ich mit Trudy und Heidi vor dem Bad wartete und Heidi mit meinem Haar zu spielen begann - es wuchs und hing mir dieser Tage ständig in die Augen, weshalb ich vorhatte, es wieder abzuschneiden. Heidi versuchte eine Frisur zu finden, die mir stand, und schob die Strähnen hin und her. Als Brandt und Aaron - Aaron war der älteste Mann, der mit auf Tour gewesen war, und ich konnte mich nicht daran erinnern, ihn vorher schon gesehen zu haben - aus dem Bad kamen und sahen, wie Trudy über irgendeine alberne Scheußlichkeit lachte, die Heidi auf meinem Kopf zu kreieren versuchte, wurden beide ein bisschen grün im Gesicht und gingen schweigend an uns vorbei.
Aber natürlich waren Kleinigkeiten wie diese noch gar nichts. Kyle streunte jetzt durch die Höhlen und obwohl man ihm offensichtlich befohlen hatte, mich in Ruhe zu lassen, machte sein Gesichtsausdruck deutlich, dass ihm diese Anweisung zuwider war. Ich war immer mit anderen zusammen, wenn ich seinen Weg kreuzte, und ich fragte mich, ob das der einzige Grund dafür war, dass er nichts weiter tat, als
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