Seelen
mich anzufunkeln und unbewusst seine dicken Finger zu Fäusten zu ballen. Das ließ die ganze Panik meiner ersten Wochen hier wieder in mir aufsteigen, und ich war drauf und dran zu kapitulieren - mich wieder zu verstecken, die gemeinschaftlichen Treffpunkte zu meiden -, aber meine Aufmerksamkeit wurde in dieser zweiten Nacht von etwas Wichtigerem als Kyles mordlustigen Blicken in Anspruch genommen.
Die Küche füllte sich wieder - ich war nicht sicher, wie viel das mit meinen Geschichten zu tun hatte und wie viel mit den Schokoriegeln, die Jeb austeilte. Ich lehnte meinen ab und erklärte einem grummelnden Jamie, dass ich nicht gleichzeitig kauen und reden konnte; ich vermutete, dass er mir - dickköpfig wie immer - einen aufbewahren würde. Ian saß wieder auf seinem üblichen heißen Platz neben dem Feuer; Andy war auch da und saß mit wachsamem Blick neben Paige. Keiner der anderen Beutejäger, Jared natürlich eingeschlossen, war anwesend. Doc war ebenfalls nicht da und ich fragte mich, ob er immer noch betrunken war oder vielleicht einen Kater hatte. Auch Walter fehlte wieder.
Geoffrey, Trudys Mann, stellte mir an diesem Abend zum ersten Mal eine Frage. Auch wenn ich versuchte es nicht zu zeigen, freute ich mich, dass er offenbar jetzt zu den Menschen gehörte, die mich tolerierten. Aber ich konnte seine Frage nicht richtig beantworten, was sehr schade war. Seine Fragen waren wie die von Doc.
»Ich kenne mich mit dem Heilen eigentlich überhaupt nicht aus«, gab ich zu. »Ich war noch nie bei einem Heiler, seit … seit ich hier angekommen bin. Ich war nie krank. Alles, was ich weiß, ist, dass wir keinen Planeten auswählen würden, bevor wir nicht in der Lage wären, die Wirtskörper in perfektem Zustand zu erhalten. Es gibt nichts, was nicht geheilt werden kann - von einer einfachen Schnittwunde oder einem gebrochenen Knochen bis hin zu Krankheiten. Altersschwäche ist inzwischen die einzige Todesursache. Sogar völlig gesunde menschliche Körper haben nur eine begrenzte Lebensspanne. Und dann gibt es natürlich auch Unfälle, obwohl die unter den Seelen selten sind. Wir sind sehr vorsichtig.«
»Bewaffnete Menschen sind nicht einfach Unfälle«, murmelte jemand. Ich nahm heiße Brötchen vom Blech und sah weder, wer sprach, noch erkannte ich die Stimme.
»Ja, das stimmt«, pflichtete ich ruhig bei.
»Du weißt also nicht, womit sie Krankheiten heilen?«, fragte Geoffrey nach. »Woraus bestehen ihre Medikamente?«
Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich weiß es nicht. Das war nichts, wofür ich mich besonders interessiert habe, als ich noch Zugang zu diesen Informationen hatte. Ich fürchte, ich habe es für selbstverständlich gehalten. Gesundheit war auf allen Planeten, auf denen ich gelebt habe, einfach eine gegebene Tatsache.«
Geoffreys glühende Wangen wurden noch röter. Er blickte zu Boden, die Lippen wütend zusammengekniffen. Womit hatte ich ihn verärgert?
Heath, der neben Geoffrey saß, tätschelte seinen Arm. Es herrschte gespanntes Schweigen im Raum.
»Ähm … um noch mal auf die Geier zurückzukommen …«, sagte Ian gezwungen und wechselte damit bewusst das Thema. »Ich weiß nicht, ob ich da was verpasst habe, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass du irgendwann erklärt hättest, inwiefern sie ›gar nicht nett‹ sind …?«
Das hatte ich in der Tat noch nicht erklärt, aber ich war mir ziemlich sicher, dass es ihn eigentlich nicht übermäßig interessierte - es war einfach die erste Frage, die ihm eingefallen war.
Mein informeller Unterricht endete früher als gewöhnlich. Die Nachfragen kamen schleppend und die meisten stellten Jamie und Ian. Geoffreys Fragen hatten alle anderen betrübt zurückgelassen.
»Na dann, morgen müssen wir alle früh raus aufs Maisfeld …«, sagte Jeb nach einem weiteren unangenehmen Schweigen und beendete damit die Zusammenkunft. Die Leute standen auf, streckten sich und unterhielten sich leise, aber sie wirkten angespannt.
»Was habe ich denn gesagt?«, flüsterte ich Ian zu.
»Nichts. Sie denken nur gerade viel über Vergänglichkeit nach.« Er seufzte.
Mein Menschenhirn machte einen jener Gedankensprünge, die sie Intuition nannten.
»Wo ist Walter?«, wollte ich, immer noch flüsternd wissen.
Ian seufzte erneut. »Er ist im Südflügel. Es geht ihm nicht gut.«
»Warum hat mir das keiner gesagt?«
»Die Dinge waren in letzter Zeit … nicht leicht für dich, daher …«
Ich schüttelte ungeduldig den Kopf. »Was fehlt
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