Seelen
schnaube. »Wanda und wütend? Ich bitte dich.«
»Und unglücklich?«, fragt er leiser.
»Es wird ihr gut gehen«, versichere ich ihm, weil ich weiß, dass sie gar nicht anders können wird, als glücklich zu sein, wenn sie erfährt, dass wir alle das wollen. So ist sie einfach gestrickt. Aber ich habe kein schlechtes Gewissen, ihr Wesen auszunutzen, weil ich auch weiß, dass sie das in Wirklichkeit auch will, hinter all dieser Selbstaufopferung. Was sie sich selbst zu wollen erlauben würde, wenn sie ein winziges bisschen eigensüchtiger wäre.
»Was du da vorhin gesagt hast, darüber, dass sie dich liebt und Jamie und Jared ... und mich.«
»Ja?«
»Glaubst du, sie liebt mich wirklich, oder war das nur eine Reaktion darauf, dass ich sie liebe? Weil sie mich glücklich machen wollte?«
Er versteht sie. Er kennt sie besser als jeder andere außer mir.
Ich zögere.
»Ich frage nur, weil ich keine ... Last sein möchte, wenn sie aufwacht.« Er wartet einen Augenblick auf meine Antwort, und als ich nichts sage, fährt er fort. »Du musst dir keine Sorgen machen, meine Gefühle zu verletzen. Ich will die Wahrheit hören.«
»Ich mache mir keine Sorgen um deine Gefühle. Ich überlege nur, wie ich es am besten beschreibe. Ich war das letzte Jahr über ... nicht ausschließlich menschlich, deshalb verstehe ich es, aber ich bin mir nicht sicher, ob du es auch verstehst.«
»Versuch es einfach.«
»Es ist stark, Ian. Was sie für dich empfindet, ist etwas Besonderes. Sie liebt diese Welt, aber der Hauptgrund dafür, hier nicht wegzukönnen, warst in der Tat du . Sie sieht dich als ihren Anker. Du hast ihr einen Grund gegeben, nach einem ganzen Leben des Wanderns schließlich an einem Ort bleiben zu wollen.«
Er holt tief Luft. Als er spricht, nehme ich zum ersten Mal Frieden in seiner Stimme wahr. »Dann ist alles in Ordnung.«
»Ja.«
Nach einer Pause sagt er: »Uberstürz es nicht.«
»Was?«
Wir biegen um die Ecke auf das Licht aus Docs Krankenflügel zu. Meine Handflächen sehnen sich danach, erneut ihren Tiefkühlbehälter zu berühren. Sicherzugehen.
»Wenn du ihr einen Körper suchst. Lass dir Zeit. Vergewissere dich, dass du einen findest, in dem sie glücklich sein wird. Ich kann warten.«
Ich sehe zu ihm auf. Jetzt kann ich seinen Gesichtsausdruck erkennen. Seine Miene ist ruhig.
»Willst du denn nicht mitkommen?«, frage ich erstaunt. Mir wird klar, dass ich ihn als Teil des nächsten Schrittes vor mir gesehen hatte. Dass ich mir vorgestellt hatte, mit ihm und Jared an meiner Seite loszuziehen, wie bei unserem letzten Beutezug.
Er schüttelt den Kopf, als wir auf das große helle Loch zugehen, das den Eingang zum Krankenflügel darstellt.
»Das ist mir eigentlich nicht wichtig. Du weißt, was sie braucht. Und ich würde lieber hier bei ihr bleiben.«
Ein Teil von mir ist verletzt, dass er nicht mitkommen will, dass er stattdessen hier bei Wanda bleiben wird, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich eifersüchtig auf ihn bin oder auf sie.
Wir treten ins Licht und da lehnt Jared, ganz unschuldige Neugier, an dem Feldbett, auf dem Wandas Behälter steht. Ian geht direkt auf sie zu. Jared tritt vorsichtig einen Schritt zur Seite. Kyle sieht aus den Schatten mit hohlen Augen zu. Doc schläft immer noch.
Ian hebt den Behälter unglaublich vorsichtig hoch. Ich höre ihn seufzen. Voller Erleichterung. Voller Trauer. Voller Hoffnung.
»Danke«, sagt er in Jareds Richtung, aber er wendet den Blick nicht von ihrem Behälter ab.
»Ich stehe in ihrer Schuld«, erwidert Jared.
Dann sieht er mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Eine Frage.
Ich hole tief Luft und gehe zu ihm. Ja, antworte ich mit meinem Lächeln. Ja, jetzt darf ich glücklich sein. Ja, ich liebe dich auch. Ja.
Ich lege ihm einen Arm um die Taille, aber meine andere Hand stiehlt sich davon. Meine Finger streichen über das warme Metall in Ians Armen.
Ich fühle mich wieder stark. Alles wird in Ordnung kommen. Bald.
Und dann werde ich Wanda davon erzählen können.
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E rinnert
D er Anfang würde sich wie das Ende anfühlen. Ich war gewarnt worden.
Aber diesmal war das Ende noch viel überraschender als jemals zuvor. Überraschender als alle Enden, an die ich mich in neun Leben erinnert hatte. Überraschender als der Sprung in einen Aufzugschacht. Ich hatte keine Erinnerungen, keine Gedanken mehr erwartet. Was war das für ein Ende?
Die Sonne geht unter - alles ist in rosige Farben getaucht und erinnert mich an meine
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