Seelen
mir klar, dass das nicht sein konnte, als ich zusah, wie die drei Männer sich von mir abwandten und in der Dunkelheit verschwanden. Unter seiner netten Oberfläche musste Jeb genauso mörderisch und brutal sein wie alle anderen. Wenn er das Gewehr in der Vergangenheit nicht schon benutzt hatte - und zwar zum Töten und nicht nur, um jemanden zu bedrohen -, hätte er sich damit nicht solchen Respekt verschaffen können.
Schlimme Zeiten, flüsterte Melanie. In der Welt, die ihr geschaffen habt, können wir uns nicht zivilisiert verhalten. Wir sind Flüchtlinge, eine bedrohte Spezies. Für uns geht es immer um Leben und Tod.
Psst. Ich habe jetzt keine Zeit für Diskussionen. Ich muss mich konzentrieren.
Jared hatte eine Hand mit der Handfläche nach oben ausgestreckt und sah Jeb an. Jetzt, wo die anderen weg waren, wich die Anspannung aus ihren Körpern. Jeb grinste sogar unter seinem dichten Bart, als hätte er die Auseinandersetzung mit gezücktem Gewehr genossen. Seltsamer Mensch.
»Bitte tu mir das nicht an, Jeb«, sagte Jared. »In einem Punkt hat Kyle Recht - ich kann wirklich keine objektive Entscheidung treffen.«
»Wer sagt denn, dass du dich jetzt schon entscheiden musst? Sie läuft uns ja nicht weg.« Jeb warf mir, immer noch grinsend, einen Blick zu. Das Auge, das mir am nächsten war - und das Jared nicht sehen konnte -, ging blitzschnell zu und wieder auf. Ein Zwinkern. »Nicht nach allem, was sie auf sich genommen hat, um hierherzukommen. Du hast genug Zeit, dir die Sache in Ruhe zu überlegen.«
»Da gibt es nichts zu überlegen. Melanie ist tot. Aber ich kann es nicht … ich kann es nicht … Jeb, ich kann es nicht einfach …« Jared war nicht in der Lage, den Satz zu beenden.
Sag’s ihm.
Ich bin noch nicht bereit zu sterben.
»Dann denk erst mal nicht darüber nach«, sagte Jeb. »Vielleicht fällt dir später was ein. Lass dir Zeit.«
»Aber was machen wir damit? Wir können es doch nicht rund um die Uhr bewachen.«
Jeb schüttelte den Kopf. »Genau das werden wir eine Zeit lang tun müssen. Die Wogen werden sich glätten. Nicht mal Kyle kann seinen mörderischen Zorn wochenlang am Leben erhalten.«
» Wochenlang? Wir können es uns nicht leisten, wochenlang hier unten Wache zu schieben. Wir haben anderes …«
»Ich weiß, ich weiß.« Jeb seufzte. »Mir fällt schon was ein.«
»Und das ist noch nicht alles.« Jared sah mich erneut an; die Ader auf seiner Stirn pochte. »Wo halten wir es gefangen? Wir haben ja schließlich keinen Gefängnistrakt oder so was.«
Jeb lächelte auf mich herunter. »Du machst uns doch keinen Ärger, oder?«
Ich sah ihn stumm an.
»Jeb«, murmelte Jared aufgebracht.
»Mach dir ihretwegen keine Sorgen. Erstens werden wir ein Auge auf sie haben. Zweitens wird sie niemals den Weg nach draußen finden - sie würde herumirren, bis irgendjemand sie aufgreift. Was uns zu drittens bringt: So blöd ist sie nicht.« Er hob eine seiner dichten, weißen Augenbrauen. »Du wirst nicht nach Kyle oder den anderen suchen, hab ich Recht? Ich glaube, sie mögen dich nicht besonders.«
Ich sah ihn bloß an, auf der Hut vor seinem umgänglichen Plauderton.
»Es wäre mir lieber, du würdest nicht so mit diesem Wesen reden«, murmelte Jared.
»Ich bin nun mal in höflicheren Zeiten aufgewachsen, Junge. Ich kann’s nicht ändern.« Jeb legte eine Hand auf Jareds Arm und tätschelte ihn leicht. »Na, komm, du hast eine anstrengende Nacht hinter dir. Lass mich die nächste Wache übernehmen. Geh schlafen.«
Jared sah aus, als wollte er widersprechen, aber dann warf er mir wieder einen Blick zu und seine Miene versteinerte.
»Wie du willst, Jeb. Und … ich will… ich werde die Verantwortung für dieses Wesen nicht übernehmen. Bring es um, wenn du es für richtig hältst.«
Ich zuckte zusammen.
Jared runzelte die Stirn über meine Reaktion, dann drehte er sich unvermittelt um und verschwand auf demselben Weg wie die anderen vorhin. Jeb sah ihm hinterher. Während er abgelenkt war, kroch ich zurück in mein Loch.
Ich hörte, wie Jeb sich langsam neben der Öffnung auf dem Boden niederließ. Er seufzte und streckte sich, wobei er ein paar Gelenke knacken ließ. Nach ein paar Minuten begann er leise zu pfeifen. Es war eine fröhliche Melodie.
Ich umschlang meine Knie und drückte mich in den letzten Winkel der kleinen Zelle. Es lief mir eiskalt den Rücken hoch und runter. Meine Hände zitterten und trotz der feuchten Hitze klapperte ich mit den Zähnen.
»Man
Weitere Kostenlose Bücher