Seelen
verhallen, als er wieder ging.
Wer es die anderen beiden Male war, wusste ich nicht. Wieder Kyle oder vielleicht Ian oder vielleicht jemand, dessen Namen ich nicht kannte. Alles, was ich wusste, war, dass ich noch zweimal davon aufwachte, dass Jared aufsprang und das Gewehr auf einen Eindringling richtete. Es wurde kein Wort gesprochen. Wer auch immer da »nur mal gucken« wollte, machte sich nicht die Mühe, irgendwas zu sagen. Als sie weg waren, schlief Jared schnell wieder ein. Ich brauchte länger, um meinen Herzschlag zu beruhigen.
Beim vierten Mal war es anders.
Ich schlief noch nicht ganz, als Jared aus dem Schlaf hochschreckte und sich mit einer schnellen Bewegung auf die Knie drehte. Mit dem Gewehr in der Hand und einem Fluch auf den Lippen stand er auf.
»Ganz ruhig«, murmelte eine entfernte Stimme. »Ich komme in friedlicher Absicht.«
»Egal, was du mir andrehen willst, ich kaufe dir nichts ab«, knurrte Jared.
»Ich will bloß mit dir reden.« Die Stimme kam näher. »Du sitzt hier unten fest und verpasst die wichtigen Debatten … wir vermissen deine Sicht auf die Dinge.«
»Bestimmt«, sagte Jared sarkastisch.
»Komm schon, nimm die Knarre runter. Wenn ich vorgehabt hätte, dich anzugreifen, hätte ich diesmal vier Leute mitgebracht.«
Es herrschte kurzes Schweigen, und als Jared wieder sprach, war eine Spur schwarzen Humors in seiner Stimme zu vernehmen. »Wie geht’s deinem Bruder dieser Tage?«, fragte er. Die Frage schien ihn zu amüsieren. Seinen Besucher aufziehen zu können, entspannte ihn. Er setzte sich hin und lehnte sich vor meinem Gefängnis an die Wand, gelassen, aber das Gewehr immer bereit.
Mein Hals tat mir weh; er schien zu merken, dass die Hände, die ihn gewürgt und ihm Schmerzen zugefügt hatten, ganz in der Nähe waren.
»Er ist immer noch stinksauer wegen seiner Nase«, sagte Ian. »Was soll’s - ist schließlich nicht das erste Mal, dass sie gebrochen ist. Ich sag ihm, dass es dir leid tut.«
»Tut es gar nicht.«
»Ich weiß. Niemandem tut es leid, Kyle zu schlagen.«
Sie lachten leise miteinander; es hatte etwas Kameradschaftliches an sich, das irgendwie nicht hierher passte, zu dem Gewehr, das Jared locker auf Ian gerichtet hielt. Aber die Bande, die an diesem verzweifelten Ort geknüpft wurden, mussten ziemlich fest sein. Dicker als Blut.
Ian setzte sich neben Jared auf die Matte. Ich konnte die Umrisse seines Profils erkennen, eine schwarze Silhouette vor dem blauen Licht. Ich stellte fest, dass er eine perfekt geformte Nase hatte - gleichmäßig, leicht gekrümmt, die Art Nase, die ich auf Bildern von berühmten Skulpturen gesehen hatte. Hieß das, dass die anderen ihn erträglicher fanden als den Bruder, dessen Nase schon so oft gebrochen worden war? Oder dass er besser den Kopf einziehen konnte?
»Also, was willst du, Ian? Wahrscheinlich nicht nur eine Entschuldigung für Kyles Nase.«
»Hat Jeb es dir gesagt?«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Sie haben die Suche eingestellt. Sogar die Sucher.«
Jared sagte nichts, aber ich konnte seine plötzliche Anspannung spüren.
»Wir haben sie genau beobachtet, um keine Veränderung zu verpassen, aber sie machten nicht den Eindruck, als wären sie übermäßig beunruhigt. Die Suche reichte nie über die Gegend, wo wir das Auto zurückgelassen haben, hinaus, und in den letzten Tagen haben sie eindeutig eher nach einer Leiche als nach einem Überlebenden gesucht. Vorletzte Nacht kam uns dann ein glücklicher Zufall zu Hilfe - der Suchtrupp hat Müll offen herumliegen lassen und ein Rudel Kojoten hat ihr Lager geplündert. Eins der Wesen kam spät zurück und überraschte die Tiere. Die Kojoten haben es angegriffen und knapp hundert Meter in die Wüste verschleppt, bevor die anderen seine Schreie hörten und ihm zu Hilfe kamen. Die Sucher waren natürlich bewaffnet. Sie konnten die Kojoten problemlos vertreiben und es war nicht ernsthaft verletzt, aber der Vorfall scheint ein paar ihrer Fragen zum Verbleib unseres Gastes hier beantwortet zu haben.«
Ich fragte mich, wie sie es geschafft hatten, die Sucher auszuspionieren, die nach mir gefahndet hatten - und so viel herauszufinden. Ich fühlte mich irgendwie ungeschützt bei dem Gedanken. Die Vorstellung von unsichtbaren Menschen, die ihnen verhasste Seelen beobachteten, gefiel mir nicht. Ich bekam eine Gänsehaut.
»Also haben sie ihren Kram zusammengepackt und sind verschwunden. Die Sucher haben die Sache abgebrochen. Alle Freiwilligen sind weg.
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