Seelen
geworden? Mein Magen krampfte sich zusammen. Warum konnte sie mich nicht einfach für tot erklären wie die anderen? Wenn ich wirklich tot war, würde sie mich dann immer noch jagen?
»Wer ist die Sucherin in Schwarz?«, fuhr mich Jared plötzlich an.
Meine Lippen zitterten, aber ich antwortete nicht. Es war am sichersten zu schweigen.
»Ich weiß, dass du sprechen kannst«, knurrte Jared. »Du sprichst mit Jeb und Jamie. Und jetzt wirst du mit mir sprechen.«
Er kletterte durch den Höhleneingang, wobei er überrascht schnaufte, als er feststellte, wie klein er sich machen musste, um hindurchzupassen. Die niedrige Decke zwang ihn dazu, sich hinzuknien, was ihm nicht besonders gefiel. Es war offensichtlich, dass er lieber vor mir gestanden hätte.
Ich konnte nirgendwohin, ich quetschte mich bereits in die hinterste Ecke. Die Höhle bot kaum Platz für uns beide. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren.
»Sag mir, was du weißt«, befahl er.
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V erlassen
» W er ist die Sucherin in Schwarz? Warum gibt sie nicht auf?« Jareds Brüllen war ohrenbetäubend und hallte von allen Seiten wider.
Ich verbarg mich hinter meinen Händen und wartete auf den ersten Schlag.
»Äh … Jared?«, murmelte Ian. »Vielleicht solltest du mich …«
»Halt dich da raus!«
Ians Stimme kam näher und ich hörte, wie er am Fels entlangschrabte, als er versuchte, Jared in den engen Raum zu folgen, der sowieso schon überfüllt war. »Merkst du nicht, dass es zu verängstigt zum Reden ist? Lass es einen Moment in Ruhe …«
Ich hörte etwas über den Boden schleifen, als Jared sich bewegte, und dann einen dumpfen Schlag. Ian fluchte. Ich schielte zwischen meinen Fingern hervor und sah, dass Ian verschwunden war und Jared mir den Rücken zugekehrt hatte.
Ian spuckte aus und stöhnte. »Das war Nummer zwei«, knurrte er und mir wurde klar, dass der Hieb, der mich hatte treffen sollen, von Ians Eingreifen abgelenkt worden war.
»Ich verpasse dir gerne auch noch Nummer drei«, murmelte Jared, drehte sich aber wieder zu mir um, diesmal mit Licht; in der Hand, mit der er Ian geschlagen hatte, hielt er jetzt die Lampe. Nach so viel Dunkelheit strahlte die Höhle geradezu.
Dann sprach Jared wieder mit mir, wobei er mein Gesicht in dem neuen Licht musterte und jedes Wort aussprach wie einen ganzen Satz: »Wer. Ist. Die. Sucherin.«
Ich ließ die Hände sinken und blickte in seine mitleidlosen Augen. Es schmerzte mich, dass jemand anders für mein Schweigen hatte leiden müssen - auch wenn es jemand war, der schon mal versucht hatte, mich umzubringen. So hatte ich mir das mit der Folter nicht vorgestellt.
Jareds schaute mich unschlüssig an, als er die Veränderung in meinem Gesicht wahrnahm. »Ich muss dir nicht wehtun«, sagte er ruhig und nicht mehr ganz so selbstbewusst. »Aber ich muss eine Antwort auf meine Frage haben.«
Es war noch nicht einmal die richtige Frage - kein Geheimnis, das ich in irgendeiner Weise für mich behalten musste.
»Sag’s mir«, drängte er mich erneut, seine Augen voller Frustration und tiefer Traurigkeit.
War ich wirklich so feige? Das wäre mir fast lieber gewesen - dass meine Angst davor, Schmerzen zu erleiden, größer war als alles andere. Denn der wahre Grund dafür, dass ich die Augen öffnete und anfing zu sprechen, war geradezu lächerlich.
Ich wollte ihm gefallen , diesem Menschen, der mich so unwahrscheinlich hasste.
»Die Sucherin«, begann ich mit heiserer Stimme; ich hatte lange nicht gesprochen.
Ungeduldig unterbrach er mich. »Wir wissen bereits, dass es eine Sucherin ist.«
»Nein, nicht irgendeine Sucherin«, flüsterte ich. »Meine Sucherin. «
»Was soll das heißen, deine Sucherin?«
»Die mir zugeteilt ist, mir folgt, mich überwacht. Sie ist der Grund, weshalb …«
Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, bevor ich das Wort aussprach, das meinen Tod bedeutet hätte. Kurz bevor ich »wir« sagen konnte. Die reinste Wahrheit, die er für die infamste Lüge halten würde - weil sie mit seinen größten Wünschen, seinem heftigsten Schmerz spielte. Er würde es nie für möglich halten, dass sein Wunsch wahr geworden sein könnte. Er würde in mir nichts als eine gefährliche Lügnerin sehen, die ihm aus den Augen entgegenblickte, die er einst geliebt hatte.
»Der Grund, weshalb …?«, wiederholte er.
»Der Grund, weshalb ich geflohen bin«, sagte ich schwer atmend. »Der Grund, weshalb ich hierhergekommen bin.«
Nicht die ganze Wahrheit, aber auch nicht
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